Engel Jngeborg...

Wenn ein Fremder Hilfe braucht, fragt nicht, wer er ist und woher er kommt - fragt ihn, wohin er will und was er braucht - und bietet ihm an, was ihr ihm geben könnt!

Liebe Alle

Lest bitte bis zum Schluss - Jngeborg hat es mehr als verdient!

Ich starte heute Morgen in Toblach frohen Mutes im Wissen darum, dass es zuerst lange bergab gehen wird. Kurz hinter der Jugi liegt zuerst Schnee und dann blankes Eis auf dem Veloweg - rechts der Wald, links der Zaun der grossen Holzschnitzelfernheizung - kein Entrinnen. Ich rutsche mit meinen Veloschuhen auf dem Eis herum und klammere mich an Passpartu. Doch der ist ebenso unsicher auf seinen zwei Pneus und mir scheint, er klammere sich mindestens so sehr an mich, wie ich mich an ihn... Nun gemeinsam kommen wir von der Eisfläche auf begehbaren Schnee - und da fällt mir ein, dass ich ja noch den Schlüssel zum Velokeller in der Jugi hätte abgeben sollen... Ich fluche still vor mich hin... Der Zaun hat ein Ende - über das Gelände der Fernheizung fahre ich in die Jugi zurück und dann wieder zurück auf den Radweg - dieses Mal aber direkt durch das Gelände der Fernheizung...

Der Radweg geht wirklich wunderbar bergab oder geradeaus. Nur kleine Steigungen hin und wieder... Ich fahre rund 23 Kilometer - und weiss, dass da doch irgendwann ne Abzweigung ins Gailtal kommen sollte. Ich frage eine Spaziergängerin und die erklärt mir, dass ich in Tassenbach beim Stauwehr rechts DIE SERPENTINEN hoch müsse - das werde dann ganz schön anstrengend... Hoppla ein recht heftiger Wechsel der Topographie...

Vor lauter Angst setze ich mich mal in ein Café und kaufe im SPAR nebenan noch Wasser, Brot, Käse und Trockenfleisch. So kann ich autark übernachten, wo es sein muss... 

Die Serpentinen sind tatsächlich anstrengend - aber ich sage mir: Wenn ich ein Alpenbrevet geschafft habe, dann schaffe ich auch diese Serpentinen (wenn auch mit Gepäck). Und schneller als erhofft nehmen die Serpentinen ein Ende und vor mir eröffnet sich der wunderbare Blick ins Gailtal!

Bei der Mittagsrast in Kartitsch fragt mich eine Passantin, woher ich komme, wohin ich wolle. Ich erkläre ihr mein Projekt und sie fragt mich - ohne die geringste Anstrengung ihr Unverständnis zu verbergen - was ich denn in Kirgistan wolle. Die Welt anschauen, erkläre ich ihr. Sie meint: "Na wenn Du meinst". Ja, ich meine!

Weiter aufwärts gehts über den Kartitscher Sattel auf 1530 müM Richtung Maria Luggau, wo ich die Wallfahrtskirche besuche und mir im Souvenirshop zum dünnen Café ein KägiFret leiste. Ich rolle weiter - nach dem Aufstieg werde ich mit langen Abfahrten belohnt, in denen ich mit über 50 km/h auch landwirtschaftliche Gefährte überhole, mir den Fahrtwind und den allgegenwärtigen Gegenwind ins Geschicht blasen lasse und die schöne Landschaft, den blauen Himmel und die eindrückliche Berglandschaft geniesse.

Plötzlich werde ich aufgehalten. Die Dame in Leuchtveste erklärt, sie sichere hier den Verkehr, weil Holzerarbeiten ausgeführt würden und ich müsse einige Minuten warten, bis das Holz mit der Seilwinde aus dem Wald gezogen und sie sicher sei, dass kein Steinschlag... Na, da warte ich gerne.

Auf meine Antwort, ich hätte gedacht, sie würde Wegezoll einziehen bricht sie in schallendes Gelächter aus und meint, so schlimme stehe es um Kärnten nun doch noch nicht... Ich erfahre, Kärnten sei so gut wie Konkurs...

Kurzum rolle ich weiter - alles wunderbar - bis - ja bis es von meinem Hinterrad her nur noch bedrohlich rüttelt und schüttelt und laut tönt. Huch - ist was mit dem Wechsler? Hilfe - nicht jetzt schon eine gröbere Panne - hier oben - NEIN BITTE NICHT!! Aber der Lärm lässt sich nicht verdrängen - ICH HABE EINE OFFENBAR GRÖBERE PANNE - OK, das musste ja mal kommen. Besser hier als auf dem Pamir...

Ich schiebe das Rad auf einen Hausvorplatz, lade alles Gepäck ab und bemerke mit Schrecken, dass die Öse der Gepäckträger-halterung vom Rahmen abgebrochen ist. Das ist eine gröbere Geschichte, die geschweisst werden muss. Ich habe ja vieles dabei - aber keine Schweissanlage... Eben habe ich mit Kabelbinder die Bruchstelle so fixiert, dass ich wohl einige Kilometer weiterfahren könnte - oder ich warte doch auf den Postbus, wie das Postauto hier heisst... WAS NUN???

Doch da steht sie plötzlich auf dem Hausplatz, die Dame des Hauses und fragt mich neugierig, wohin ich denn wolle mit meinem Radl. Ich erkläre ihr, bis vor einigen Minuten hätte ich noch frohen Mutes nach Singapur radeln wollen - doch nun sei alles anders und ich bräuchte einen Fahrradmechaniker. Sie meint ganz ruhig und besonnen, dass ich hier oben wohl keinen solchen finde, sie mich doch aber nach Kötschach fahren könnte. Da hätte ich grössere Chancen.

Meine Frage, wie sie mich mit meinen Taschen und dem Fahrrad nach Lötschach bringen wolle, beantwortet sie locker und pragmatisch mit einem grossen Bus. Passpartu findet bequem Platz auf der Ladefläche und meine Taschen auch (könnte sogar noch mehr Gepäck dabei haben...).

Sie müsse lediglich noch einkaufen und einige Dinge nach Liesing bringen. Das liege am Weg. Nun das ist überhaupt kein Problem für mich. Ich helfe noch schnell mit, die Getränke einzuladen und sie bringt in der Zwischenzeit in Erfahrung, dass es in Kötschach auch keinen Velomech mehr geben soll - dafür bestätigt sie mir aber, dass eine Bahn nach Villach fahre. So entscheide ich, nach Villach zu fahren in der Hoffnung am Samstag oder Montag oder Dienstag jemanden zu finden, der mein Velo schweissen kann. 

Ingeborg erzählt mir auf der 20 Kilometer langen Fahrt viel über das Lesachtal, durch welches ein Weitwanderweg führt. Absolut lohnenswert, liebe Freunde!!! Sie ist eine Hüttenwirtin und bereitet ein improvisierte Gaststube vor, weil ab Sonntag viele Gasthäuser geschlossen haben. Sie meint, die Kirchgänger müssten doch nach der Kirche einkehren können - logisch! Daher die vielen Getränke

:-)! Ja, das Leben im Lesachtal sei nicht nur einfach. Aber sie denkt, dass die Jungen weniger abwandern, als in der Vergangenheit - damit könnten auch die wunderbaren  Dörfer und die intakte Kulturlandschaft weiterhin gepflegt bleiben! Ich hoffe mir ihr - denn es ist wirklich einfach nur wunderzauberhaft schön hier oben!

Der Zug steht in Kötschach schon bereit. Die Fahrt nach Villach dauert... Per SMS frage ich meinen Vater, ob er  mir in der Jugi in Villach schon mal ein Bett reservieren könne, sofern er denn grad Internet griffbereit habe. Er hat und reserviert. 

Den Schaffner frage ich, ob er wisse, wo die Jugi in Villach sei. Gestützt auf die Adresse erklärt er mir den Weg ab Villach Westbahnhof. Das sei näher als der Hauptbahnhof...

Wenig später steigt ein Mountainbiker ein und fragt nach meinem Woher? Wohin? Warum? Er kann insbesondere mein Warum nachvollziehen... Und googelt dann für mich auf seinem Smartphone den Weg zur Jugi - deckt sich mit den Ausführungen des Schaffners. In Villach angekommen finde ich die Jugi ruckzuck. Morgen gehts auf die Suche nach dem Velomech oder der Autowerkstatt, die mein Velo schweissen kann und dann muss ich die Route neu überdenken, da ich nun plötzlich viel östlicher als geplant gelandet bin... Aber von Villach aus soll es eine Bahn nach Slowenien geben... So unterquere ich den Wurzenpass wohl...

Als ich Jngeborg in Kötschach frage, was ich ihr für den Transport schulde meint sie "Ah geh! Schreibst mir ne Karte aus Singapur!". Vor lauter Herjesses vergesse ich schon wieder, ein Foto zu machen - ich muss noch lernen. Bin da noch viel zu sehr im Modus "funktionieren" - schade. So fehlen mir Roberto von gestern Morgen und Jngeborg von heute Nachmittag... He nu...

 

LIEBE JNGEBORG!

TAUSEND DANK für Deine grosszügige und spontane Hilfsbereitschaft!!! Du wirst nicht erst aus Singapur eine Karte bekommen - nein, Du wirst von verschiedenen Destinationen aus Post von mir bekommen!!!

Und wenn ich zurück bin von meiner grossen Reise, werde ich gerne auf dem Lesachtaler Höhenweg wandern und Deine Hütte besuchen kommen!! Menschen wie Du machen diese Welt reich!! D A N K E!!!

 

Liebe BlogleserInnen

Macht es bitte unbedingt wie Jngeborg:

Fragt einen Fremden, der Hilfe braucht nicht wer er ist und woher er kommt - fragt ihn, wohin er will und was er braucht. Und ich bin sicher, ihr könnt ihm ein Stück auf seinem Weg weiterhelfen, ohne selber einen Verlust zu erfahren. Sei es eine Auskunft, sei es eine Autofahrt oder ein Stück Brot oder gar Obdach für eine Nacht. Nur so kommen wir doch schlussendlich alle gemeinsam weiter.

 

Ich bin sehr glücklich und fröhlich unterwegs - die Fügung, die ich heute erfahren durfte, als ich ausgerechnet  vor Jngeborgs Haus landete und sie mich dann chauffierte, berührt mich tief - ich empfinde das alles als nicht selbstverständlich. Weder von Jngeborg - noch überhaupt!

 

Seid herzlich gegrüsst - ich bleibe mal in Villach über das Wochenende und plane von hier aus weiter... UND SORTIERE NOCHMALS MEIN GEPÄCK - ES MUSS WENIGER WERDEN...!!! Sonst bricht bald wieder etwas...

 

Und Thesi von www.seithes13.ch hat mir in einem Kommentar zu meinem gestrigen Blogeintrag mitgeteilt, dass im Silkroad Hostel im Yazd im Iran eine von ihr dort für mich deponierte Überraschung auf mich warte - ich bin wunderbar getragen - von Euch daheim, von Thesi unterwegs - und von fremden Menschen wie Jngeborg. Und das tut verdammt gut - und ist so unendlich wertvoll!!

 

Fotos kommen im Verlauf des Wochenendes - ich gehe mal schlafen...

 

Danke und liebe Grüsse ins Wochenende!

Patrik

 

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Kommentare: 4
  • #1

    ka. (Samstag, 11 April 2015 11:15)

    Hallo Patrik

    Ui das ist auch blöd gegangen mit deinem gepäckträger, hoffe dass du bald ein " schweisser " findest!

    Mth. und ich verfolgen deine berichte mit spannung.
    Bin ich doch grad mit ihr im Iran unterwegs, wau spannend ist jeder tag von neuem in diesem , mir so fremden land.
    Sie zeigt mir alle plätze wo sie vor 2 jahren ,auch mit dem velo, durchfuhr und besuchen all die lieben menschen.
    Unglaublich diese gastfreundschaft..... freu dich !!!!

    Wir sind grad in Shiraz und fahren heute nacht mit dem bus nach Isfahan.
    Es ist seeeehr warm, Mth meint es wird noch heeeeiss!

    Also lieber Patrik Fahr einfach weiter immer weiter... Wir beide sind in gedanken bei dir tschü ka.

  • #2

    michaela (Montag, 13 April 2015 11:23)

    Lieber patrik, die dame mit der leuchtweste aus dem lesachtal wuenscht dir alles gute fuer die fahrt nach singapur. Halte durch. Ich hoffe, dass du viele hilfsbereite menschen auf deinem weg driffst. Lg michaela

  • #3

    Patrik (Montag, 13 April 2015 13:47)

    An Michaela, die Dame in der Leuchtweste:
    Hallo Michaela - DANKE FÜR DEINEN KOMMENTAR - das freut mich, hast Du mich in den Weiten des Internets gefunden!!
    Ja, als ich Dich getroffen habe, konnte ich noch gut lachen, da war meine kleine Velowelt noch in Ordnung - danach verging mir das Lachen kurzfristig. Doch im Lesachtal ist es nicht nur sehr schön - da gibt's auch witzige und hilfsbereite Menschen. Wunderbar!! Alles Gute, Michaela!
    Patrik Kirtap

  • #4

    Ka. (Montag, 13 April 2015 17:14)

    Hallo lieber Patrik
    Bin froh dass du und dein " begleiter" wieder ok seid!

    Mth u ich sind auch steckengeblieben hier in Esfahan, bei einer so lieben familie.
    Wir werden mit essen verwöhnt sie zeigen uns die umgebung und erzählen von von den eigenheiten des landes und den menschen, interessant.
    Eben assen wir safran eiscreme.. weisch wi fein!
    Wir bleiben bis mittwoch morgen ... eigentlich könnten wir noch viiiiel länger bleiben... sie boten uns nicht nur ihre freundschaft an nein ihr ganzes haus für immer.

    ich bin Mth so dankbar, dass ich mit ihr diese reise machen kann , sie ist auch die perfekte reiseführein!

    Patrick ich wünsche dir angenhme nachtruhe bei uns gibts noch lang keine... das leben beginnt erst jetzt richtig , am nachmittag ists zu heiss.

    Tschü ka.

 

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