3 Wochen unterwegs - S O F I A ...

Liebe Alle

UEBRIGENS: Ich bin nun schon soweit oestlich, dass hier die Uhr eine Stunde Vorsprung hat. Das habe ich selber fast nicht bemerkt, erst als es um das Nachtessen im Hostel ging - tja, Futter ist aktuell sehr wichtig fuer mich. Beinahe haette ich den Start des Nachtessens verpasst. Stellt Euch vor.... Ihr seht, ich komme VORWARTS... Und das ist gut so!!

Pünktlich zum 3-Wochen-Jubiläum bin ich gut in Sofia angekommen und in einem wirklich coolen Hostel abgestiegen! Grossstädte sind teuer - daher hause ich mal wieder im Massenschlag, auch wenn mein Freund Osch in Deutschland meine Konzertkarten für DAS Openair des Jahres 2015 supergut vertickt hat (Eingeweihte wissen ja, um welches Openair es sich handelt - ihr seht, ich zahle durch den Verzicht auf das Openair einen hohen Preis für meine Reise - schaue es dann im Internet an - hihihi...). Diese Karten habe ich mir ja bereits letzten Sommer gekauft, als meine Velotour von Bern nach Singapur kein reales Thema war... Und dann ging bekanntlich alles ganz schnell... Blitzartig schnell...

Also, ich bin drei Wochen unterwegs. Es kommt mir viel länger vor. Sehr viel länger. Mit dem Heimweh - welches mich immer mal wieder plagt - lerne ich jeden Tag besser umzugehen - werde es aber nie wirklich ablegen können...

Ich bekomme auf meine Blogeinträge schöne Rückmeldungen - auch per E-Mail. Danke, das tut gut!!

Plötzlich entdeckt man den Menschen in/hinter mir - nicht nur meine Funktion, die ich im Beruf ausgeübt habe - nun mir geht es ja ähnlich. Ich kann Euch nach drei Wochen Reisen versichern: Es gefällt mir sehr gut, was ich im Menschen Patrik entdecke - und ich weiss, dass mein Entscheid richtig war. Und das tut mir gut. Besonders gut tut es mir auch, von meinen Liebsten so gut getragen zu werden!! TAUSEND DANK!! So fertig emotional!!

Wobei, es geht grad emotional weiter...

Wollte eben noch Fotos von der heutigen Etappe hochladen - dabei habe ich mal wieder meine SD-Karte des Fotoapparats gelöscht, wie mir das bereits in Sri Lanka mal passiert ist. MIST - nun habe ich das Selfie mit dem 1000-Km-Stand meines Tachos nicht mehr. Aber damit muss ich nun leben - und werde es auch können. Muss nur aufpassen, dass mir das mit mir wirklich wichtigen Fotos nicht passiert. Zum Glück habe ich noch alle auf dem MacBook - hoffe auch, das Video vom 02.04.2015 beim Abschiedscafé... Der langen Rede kurzer Sinn: Heute NO PHOTOS...

Heute Morgen bin ich also noch dem Frühstück in Dimitrovgrad losgeradelt. Wasser und eine Banane gekauft und einen Teil meiner Serbischen Dinars in Lewa gewechselt. Bulgarien ist zwar in der EU - aber hat eine eigene Währung. Dann stand ich kurze Zeit später vor dem Grenzübergang auf der serbischen Seite. Grössenwahnsinnig habe ich mich mal bei den Zollhäuschen für die vielen LKWs - sie reihen sich auf einer Länge von ca. 1.5 Kilometer vor der Grenze auf - nach vorne gemogelt. Hm - falsch! Also zurück. Ein Lastwagenfahrer macht mit der Lichthupe auf sich aufmerksam. Ich rolle zu ihm hin. Er kommt aus der Türkei und ist auf dem Weg nach Istanbul. Hat also das gleiche Etappenziel wie ich. Er erklärt mir dann, wo ich durchfahren muss. Eigentlich logisch. Lappi mach d'Auge uf!

Aus Serbien bin ich ruckzuck ausgereist. Dann durch das Niemandsland Richtung Bulgarien. Die Flagge von Bulgarien weht im Wind - ebenso die zerrissene EU-Flagge. Ob man dem Reisenden damit was sagen will?

Ich stelle mich artig vor eine der Schranken, welche die Fahrspuren zu den Zollhäuschen "sichern". Bis zu den Zollhäuschen sind es von dieser Schranke dann nochmals gute 100 Meter.  Ich bin ganz alleine vor vier solcher Schranken. Kein Auto. Ich warte, bis sich diese Schranke öffnet. Es tut sich nichts. Dann höre ich Pfiffe - es sind die Gärtner, die den Rasen um die Bürogebäude herum mähen. Sie deuten mir, ich soll die Schranke einfach umfahren. OK - wenn ihr meint! Ich will hier einfach kein Knatsch, bevor ich überhaupt beim Zollhäuschen bin. Ich umfahre die Schranke und stelle mich in die Reihe vor dem Zollhäuschen. Drei Autos vor mir. Hier ist nicht wirklich viel los. Es geht langsam vorwärts. Nach knappen 20 Minuten bin ich an der Reihe. Gebe meine ID in das Häuschen. Die Zöllnerin prüft die ID gründlich. Vorderseite, Rückseite. Rückseite, Vorderseite. Vorderseite, Rückseite. Dann zieht sie die ID durch den Kartenleser und schaut gebannt auf ihren Bildschirm. Prüft die ID. Vorderseite, Rückseite. Rückseite, Vorderseite. Vorderseite, Rückseite. Vergleicht alles mit ihrem Bildschirm. Dann sagt sie zu mir: "You Patrik!". Bingo! Völlig richtig erkannt: Ich bin Patrik - tatsächlich - in voller Grösse - mit etwas weniger Gewicht als vor drei Wochen - und noch immer in Begleitung von Passpartu und Lucky!! Was Computer doch nicht alles herausfinden, wenn man sie mit den richtigen Daten füttert?! Ich bestätige ihr aber ganz ernsthaft und bemüht ohne Unterton: "Yes, I'm Patrik" - und versuche sympathisch zu wirken.

Sie prüft die ID erneut. Ich bin überzeugt, dass ich mit der ID in die EU einreisen darf, werde aber doch etwas nervös, dass das so viel zu prüfen gibt. Dann fragt sie mich "You go where?" - ich erkläre ihr, dass ich auf dem Weg nach Istanbul sei, welches ich via Sofia erreichen wolle. Sie tippt auf ihrer Tastatur herum. Meine Route scheint einleuchtend. Sie schiebt die ID zurück. Ich bedanke mich artig und wünsche ihr einen schönen Tag - und bin in Bulgarien angekommen. Wunderbar!! Mein - lasst mich rechnen - siebtes Land.

Tja, dann rolle ich mal auf der einzigen Strasse weiter. Die Lastwagen reihen sich auch auf der bulgarischen Seite in Richtung Serbien auf gut 3 Kilometer Länge. Ich weiss, dass ich noch ganz andere Grenzsituationen antreffen werde. Und doch beeindruckt mich diese Kolonne von Lastwagen.

Die Fahrt in Richtung Sofia ist nicht spektakulär. Weite Ebenen, viel Abfall am Strassenrand. Alle paar Minuten überholt mich ein Lastwagen. Die fahren sehr anständig. Im Gegensatz zu gestern könnte ich auch immer nach rechts in den Strassengraben ausweichen, wenn es sein müsste. Ein gutes Gefühl!

Ca. 30 Kilometer vor Sofia zeigt mein Kilometerzähler meine ersten 1000 Kilometer an - und grad 50 Stunden im Sattel. Somit habe ich ca. 1/15 meiner Traumroute "bewältigt". Bei einer Tankstelle gönne ich mir einen Kaffee, welcher mir aus einer Miostar Maschine gebraut wird - Migros lässt grüssen... Ansonsten gibt es im Tankstellenshop vor allem lauter nichts zu kaufen. Die Regale sind leer. Ausser Taschentücher und Feuchttüchli in verschiedenen Duftnoten, in kleinen, grossen und ganz grossen Packungen, gibt es einzig noch Salzbiscuits und Kinderwaffeln. Ich entscheide mich für die Waffeln - so bekomme ich doch noch Spuren von Getreide verabreicht bei meinem "Mittagessen". Der Tankenstellenwart kann einige Brocken Deutsch. Er war Fernfahrer. Hat hier nun sein eigenes Geschäft eröffnet - und nun die Krise. Er wisse schon, wo das Geld sei. Versteckt auf Banken in der Schweiz. OK, so sieht man die Schweiz also in Bulgarien...

Rolle weiter - Gegenwind - Seitenwind. Seitenwind von links ist übrigens für mich die schlechteste aller Varianten. Ich muss dann immer etwas nach links steuern, damit ich nicht von der Fahrbahn geblasen werde. Wenn mich dann ein Lastwagen überholt, bin ich urplötzlich im Windschatten und muss schlagartig min. geradeaus oder gar nach rechts steuern, damit ich nicht in den Lastwagen fahre. Das braucht etwas Fingerspitzengefühl und Konzentration. Aber es kommt gut. Die Lastwagen sind faire Partner - ebenso die PKWs!

Sobald ich die "Skyline" von Sofia erkenne, halte ich kurz an und will ein Foto machen. Da ertönt hinter mir ein fulminantes Hupkonzert - ich mache mich schon mal bereit, vom Velo zu jucken und in den Strassengraben zu springen. Schaue vor dem Sprung ängstlich zurück, ob da einer nicht mehr lenken kann oder was los ist - HILFE: Da kommt doch tatsächlich ein LKW Fahrer FREIHÄNDIG angefahren und winkt mir mit beiden Armen wie ein Irrer - und strahl wie ein Marienkäfer - ich denke zuerst "Was ist das denn für ein Vollidiot" - IRRTUM!!!: Es ist der LkW Fahrer, mit dem ich am Zoll in Dimitrovgrad geplaudert habe, der sich freut, mich zu sehen und sich wohl auch freut, dass ich schon so kurz vor Sofia bin - ich winke zurück und freue mich, ihn zu sehen. Kameraden der Landstrasse - er überholt mich - Warnblinker eingestellt - und hupt nun wieder - er muss ja jetzt nicht mehr winken und hat offenbar  wieder mindestens eine Hand am Steuer bzw. auf der Hupe - immerhin!!

He, ihr glaubt es nicht: Aber solche Begegnungen berühren mich ganz fest/tief. Vielleicht sind sie mir halt besonders viel wert, weil ich alleine unterwegs bin und mich daher besonders freue, wenn sich jemand mit mir freut, mich erkennt, mich grüsst - mich sieht. Wie auch immer. So ein freihändig fahrender und winkender LKW-Fahrer ist dann halt schon ein Kamerad der Landstrasse. Und ich bin sicher, wenn ich mit einer Panne am Strassenrad gestanden hätte, der hätte angehalten!!

Ich denke, Sofia ohne grössere Probleme zu erreichen. Das schaffe ich auch. Einzig die Einfahrt nach Sofia - also sagen wir in Schonbühl den Weg nach Bern zu finden - ist nicht ganz ohne. Die 2 spurige Strasse wird in einer Baustelle einspurig und es führen noch zwei weitere Strassen auf diese eine Spur. Chaos. Aber ich kann mich gut vordrängeln. Die Autos und insbesondere LKWs lassen mir meinen Platz. Mit Handzeichen mache ich ihnen klar, dass sie mich vorlassen sollen bzw. ich die Spurwechseln will. Dazu gesellt sich dann noch ein Pferdefuhrwerk. Nein, meine Lieben, keine Rösslifahrt wie im Emmental. Ein Pferdefuhrwerk, welches hier offenbar einer Lumpensammlerfamilie als Transportmittel dient. Leider bin ich nicht flink genug, um in dieser Situation auch noch meinen Fotoapparat zu zücken. Aber wenn ein Pferdefuhrwerk hier durchkommt, dann komme ich auch durch. Und so ist es. Die Polizei regelt den Verkehr ca. 500 Meter weiter vorne. Ich frage einen der Polizisten auf der Kreuzung, wo ich durchfahren muss. Der strahlt mich an - oder hat er mich ausgelacht? Nein! Angestrahlt! - und nimmt sich alle Zeit der Welt, mir den Weg zu erklären. Einfach um den grossen Kreisel und dann alles geradeaus. Einfach...

Auf der Strasse ins Zentrum von Sofia gibt es viele Ampeln. Die sind GENIAL! An jeder Ampel hat es einen Countdownzähler. Der zeigt an, wie viele Sekunden es noch grün oder rot ist. So kann ich bequem abschätzen, ob ich noch schnell Gas geben und bei grün über die Ampel flitzen will - oder es ausrollen lasse und während der Rotphase, die bis zu 90 Sekunden dauert, etwas trinke oder esse... Sollte man in der Schweiz auch einführen!!!

Das Zentrum erreiche ich locker. Es gibt einzig eine für mich überraschende Situation: Ich habe nicht damit gerechnet, dass aus der mittleren der drei ins Zentrum führenden Spuren in äusserst dynamischem Tempo nach rechts abgebogen wird. Ich ging davon aus, dass die linke der drei Spuren geradeaus oder nach links, die mittlere nur geradeaus und die rechte geradeaus oder nach rechts führt. Ich ging davon aus - Autofahrer in Sofia haben das 2x anders gesehen und ich stand im Weg - ok - ich lerne und rechne nun halt auch mit Rechtsabbieger aus der mittleren Spur. Man muss ja nicht alles so eng sehen...

Vor einigen Tagen habe ich bereits mal im Internet geschaut, ob es in Sofia eine Jugendherberge gibt - keine gefunden. Dafür bin ich auf die Website eines Hostels getroffen, das ich und auch problemlos finde, nachdem ich die kleine Blechtüre gesichtet habe, durch die der Hostelgast gehen muss, wenn er mitten im Zentrum in den sonnigen Hinterhof gelangen will, in welchem das Hostel in einem renovierten, alten Gebäude liegt. Hätte ich die Website nicht gesehen, nie wäre ich durch diese Blechtüre gegangen, weil ich dahinter ein Absteige erwartet hätte. Aber nein - ich bin in einem voll coolen Hostel gelandet, wo internationales Publikum abhängt, chillt. Junge - ältere als ich - Familien. ich wohne im 8er Schlag und gehe nun in die Stadt. Heute Abend gibt es dann offenbar gemeinsames Nachtessen. Mal schauen, was das hergibt - sonst gehe ich dann halt auswärts. Aber so wie das hier alles organisiert ist und prima easy doing läuft, wird das Nachtessen bestimmt lecker und lustig. Und ja, es ist alles sauber - es gibt ausreichend warmes Wasser in der Dusche und Passpartu mit Lucky haben einen sicheren Platz im Innenhof. Es gibt sogar ein eigenes Gästebuch, in welchem sich verschiedene Fernradler eingetragen haben. Das wird mir eben gebracht, während ich meinen Bericht schreibe. Ich werde wohl zwei Nächte hier bleiben und Morgen den Tagesausflug buchen ins grösste Kloster Bulgariens. So radle ich nicht nicht nur durch dieses Land - so sehe ich auch noch etwas Kultur.

Ihr seht, ich bin auch nach drei Wochen gut unterwegs - oder nach drei Wochen im Flow des Reisens angekommen. Fühle mich nach wie vor frei, leicht, lebendig - aber nicht übermütig. Das Heimweh nach meinen Liebsten habe ich etwas besser im Griff - bin aber überzeugt, dass mich dieses Heimweh nach meinen Liebsten immer begleiten wird. Und das ist auch gut so - es zeigt mir, wie gut aufgehoben ich war und noch immer bin! Ein wertvoller Schatz, der mir das Fundament gibt, meine Reise zu machen!!

Und ja, ich bin schon sehr freudig und auch etwas stolz drauf, Sofia erreicht zu haben. Das war so mein erstes "wirkliches" Wunschziel - und nun habe ich es gut erreicht - das gibt mir auch Vertrauen, dass ich die weiteren Wunschziele erreiche.

Ich grüsse Euch herzlich aus Sofia!!

Patrik

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 1
  • #1

    Margarerthe Vorauer (Freitag, 24 April 2015 07:37)

    Hallo Patrik,
    Ich habe Ihre bisherige Reise aufmerksam und interessiert verfolgt ... und es freut mich unglaublich, dass Sie bisher so gut durchgekommen sind. Scheinbar hat der "Eisner" doch gute Arbeit geleistet. Ich wuensche Ihnen Glueck fuer die weitere Reise und bleiben Sie gesund! Herzlichst Margarethe Vorauer

 

23. JUNI 2016

65 Wochen

unterwegs... 

 

* * *

02. Juni 2016

14 MONATE UNTERWEGS

 

SELFIEGALERIE

 

* * * 

 

***JUBILÄUM***

 

31.03.2016

52 WOCHEN

ON THE ROAD

Johor Bahru (Malaysia)

 

24.03.2016

Gründonnerstags-

Jahres-Jubiläum

(Malaysia)

 

02.10.2015

6 Monate

unterwegs

Bishkek (Kirgistan)

 

Cappuccino-Index

Ein Index aus der Wirtschaft - im wahrsten Sinne des Wortes...

Aktualisiert am

04. März 2016 aus Bang Sapahn