Auf der Autobahn...

Nach einer unruhigen Nacht im 8er-Schlag - die jungen Mitbewohner waren lange im Ausgang und kamen dann im Verlauf der Nacht einzeln zurück... -  schäle ich mich erst gegen 08.30 aus dem Bett und mache mich mal auf zum Frühstück - oh Schreck: Es regnet. Damit habe ich nun wirklich nicht gerechnet. Das drückt grad etwas auf die Stimmung - gehört aber halt auch dazu. 

Das Frühstück im Hostel ist wirklich lecker - statt Brot gönne ich mir frisch gebackene Waffeln, die ich dick mit Butter und Konfitüre bestreiche. Schliesslich radle ich heute ja durch Wind und Regen...

Beim Frühstück plaudere ich noch etwas mit dem Amerikaner aus Colorado, der gestern Abend aus Athen angekommen ist. Er bereist Ost-Europa und berichtet von der Trost- und Hoffnungslosigkeit, welche Athens Quartiere rund um die Innenstadt erobert habe. Ihm sind nicht nur die vielen Sprayereien in Athen aufgefallen - die Hoffnungs- und Trostlosigkeit stehe den Menschen im Gesicht. Er meint, Athen sei wie Detroit zu den schlechtesten Zeiten... Bah, was für ein Glück haben wir da in der Schweiz!!

Da fällt mir auch die Diskussion mit dem Australier an, welche ich vorgestern beim Abendessen führen durfte. Er ist in Australien arbeitslos und meint, es sei billiger für ihn, durch Ost-Europa zu trampen, als daheim ohne Job. Und ja, er hat auch einen durchaus kritischen Blick auf sein Land und muss lachen, wie Australien auf Europäer magische Anziehungskraft ausübe - er sieht sein Land sehr kritisch - zu kritisch? Ich wage mir kein Urteil zu bilden, war ich ja noch nie auf diesem Kontinent... Er und eine mit ihm reisende Amerikanerin meinen im Verlauf der Diskussion, dass es wichtig sei, im Verlauf einer Reise immer mal wieder drei Nächte an einem Ort zu bleiben. Dann könne man waschen, ausruhen, Gepäck sortieren - und sich sein Lieblingscafé suchen. Ja, Reisende bauen sich unterwegs immer gerne mal wieder "ihr Dorf auf Zeit". Das Lieblingscafé, der Kiosk - ein Stück Heimat unterwegs. Ich geniesse es sehr, zwei Nächte in Sofia zu bleiben und bin sicher, dass mir der längere Aufenthalt in Istanbul auch gut gefallen wird...! Dort werde ich mir auch "mein Dorf" bauen...

Baue nach dem Frühstück noch www.kirtap.ch etwas um, trinke dazu Kaffee und hoffe, der Regen höre auf - was er tatsächlich auch tut. So radle ich kurz nach 10 Uhr doch noch los. Der eine Mitarbeiter des Hostels bringt mich noch zur Strasse und zeigt mir, welche Strasse ich immer geradeaus fahren soll, um auf den Weg nach Istanbul zu kommen. Dass ich einer Einbahnstrasse in verbotener Richtung folgen soll, findet er "No Problem" - wenn die Polizei Probleme machen sollte, was er nicht erwartet, dann soll ich die ins Hostel schicken und einfach Swissgerman mit denen sprechen..!

Im Hostel haben mir die Mitarbeitenden auch DRINGEND empfohlen, auf der Autobahn nach Plovdiv zu fahren. Das sei der beste und kürzeste Weg. NEIN! Die alte Strasse parallel zur Autobahn soll ich vergessen! Ich müsse einzig ein Rücklicht haben und eine Warnweste tragen. Dann sei das alles NO PROBLEM. Ich traue der Sache nicht so recht...

Vorerst fahre ich also mal in verkehrter Fahrrichtung durch Istanbul und muss einzig dem Tram ausweichen, dessen Fahrverhalten ja vorhersehbar ist, da es den Schienen folgt...

Ich komme tatsächlich zum Punkt, wo die Autobahn anfängt und frage da Passanten, nach einer Alternativroute. Die schicken mich aber alle auf die Autobahn. OK - so versuche ich mein Glück. Witzig, dass die Passanten, wenn ich sie frage, ob ich mit dem Fahrrad denn überhaupt auf die Autobahn dürfe, erstaunt reagieren im Sinne von: Ach mit Fahrrad willst Du nach Plovdiv... Ja logo, sonst wäre ich ja nicht mit dem vollbepackten Velo da... Hallo?!

Die Fahrt auf der Autobahn geht eigentlich ganz gut - einfach bei den Einspurstrecken wird es mühsam, weil ich dann plötzlich von links und rechts überholt werde - so lerne ich, bei den Einspurstrecken möglichst schnell ganz rechts auf der Einspurstrecke selber fahren zu können, sofern die auf die Autobahn drängenden Autos mich da überhaupt rüber lassen....

Es geht alles problemlos. Einfach unangenehm ist es. Sehr unangenehm, unberechenbar und laut!! Daher verlasse ich die Autobahn und frage einen Passanten wieder nach dem Weg auf einer Alternativroute. Dieser meint völlig verwundert: "If you want to go to Plovdiv you have to take the road to Plovdiv - and THIS ROAD  IS THE ROAD!!" - und zeigt dabei auf die Autobahn. Hm, mir fällt kein Gegenargument ein...

Dafür fällt mir der Sketch "Dr Wäg nach Worb" ein... Also, wieder auf die Autobahn zurück und vorwärts - Gring ache u trample... - meist hat es einen Pannenstreifen und somit bin ich nicht sooo direkt im Verkehr... Ich habe auf der Karte gesehen, dass ca. 6 Kilometer hinter der Rundautobahn, die rund um Sofia herum führt, die alte Strasse nach Plovdiv abzweigt - bis dahin gibt es nun eben ganz offensichtlich einzig die Autobahn. Auf einer Autobahnraststätte gönne ich mir den obligaten Samstagscappuccino und denke an "mein Café Alpin" in Bern....

Dann kommt die Ausfahrt, von der ich annehme, dass es die richtige sei, um auf die alte Strasse zu kommen - nur sind hier die Ortschaften ausschliesslich in kyrillischer Schrift angeschrieben und auf meiner Karte finde ich kein Pendant dazu. Ich versuche Autos anzuhalten, welche die Ausfahrt nehmen - doch sie fahren einfach durch. Und dann, was kommt denn da? Ein Rennvelofahrer - ebenfalls auf der Autobahn bzw. dem Pannenstreifen. Er bestätigt mir, dass ich die richtige Abzweigung vor mir habe, die Strasse aber sehr schlecht sei - ich bequemer auf der Autobahn weiterfahren soll. Nun, so schlecht kann die alte Strasse nicht sein, dass es sich tatsächlich lohnt, auf der Autobahn zu bleiben - finde ich jedenfalls!!

Ich entscheide mich für die alte Strasse und geniesse es nach über 20 Kilometer heftigstem Verkehr, in Ruhe radeln zu können. Ich durchquere die ersten Dörfer und plötzlich besteht die Strasse nur noch aus Staub und Schlaglöchern. Wirklich! Von einem Meter auf den nächsten ist alles anders. Unglaublich schwierig zu fahren und staubig. Die Autos wirbeln den Staub hinter sich auf - er bleibt an mir und Passpartu kleben. Nun weiss ich, warum mich alle auf die Autobahn schickten...

Am Strassenrad steht ein Auto und ich frage den Lenker, ob ich tatsächlich noch auf dem richtigen Weg sei - er bestätigt lachend und meint, auch er vermisse die Strasse...

So plötzlich, wie sich die Strasse aufgelöst hat - so plötzlich ist sie nach ca. 5 Kilometer wieder da. Samtiger Belag - fast wie Teppich...

So macht es wieder Spass!

Bulgarien wird immer ländlicher - und augenfällig ärmer. Ich durchquere Ortschaften, wo Pferde- und Eselfuhrwerke auf den Strassen verkehren - traue mich nicht, diese zu fotografieren, weil ich das für die Menschen entwürdigend fände. Es sind dunkelhäutige Menschen - sesshafte Roma? Pferde weiden auf Wiesen zwischen Abfallbergen. Die Häuser zerfallen leise vor sich hin - die Menschen wohnen aber noch darin, das sieht man an der Wäsche, die auf den Balkonen trocknet - rund um die Häuser wirkt alles soweit gepflegt - der Abfall liegt auf den Wiesen ausserhalb der Dörfer... So kann Armut also auch aussehen... Und doch stehen vor den Wohnblocks viele Autos - auch solche, westlicher Marken... Ich kann das nicht einordnen...

Ich komme soweit gut voran - bis schwarze Gewitterwolken aufziehen und lautes Donnerrollen in beeindruckender Art und Weise ankündigt, dass da ein Gewitter im Anzug ist - hm. Fahre ich nun meinem gesetzten Tagesziel entgegen mit dem Risiko mein Zelt im Gewitter aufstellen zu müssen - oder steige ich bei nächst bester Gelegenheit ab? Ich entscheide mich, im nächsten Örtchen zu fragen, ob es eine Unterkunft gibt, wenn ja, bleibe ich - sonst fahre ich weiter - und siehe da: Man schickt mich zu einem Haus, an dessen Fassade das Logo der Jugendherberge hängt. Das gibts doch nicht - hier mitten im ländlichen Bulgarien? Wunderbar! Da bleibe ich über Nacht! Die Rezeption ist verweist - auf mein wiederholtes Klingeln tut sich rein gar nichts. So klopfe ich halt mal an eine Zimmertüre, hinter der ich Stimmen höre. Es öffnet eine Bewohnerin, die keine Fremdsprache spricht. Aber Google übersetzt auf ihrem Smartphone, nachdem ich ihr mit Zeichensprache (Kopf auf meine Hände gelegt und dazu geschnarcht) erklärt habe, dass ich hier schlafen will. Sie fragt, ob eine oder mehrere Personen und eine oder mehrere Nächte - alles via Translater auf dem Smartphone. Wie hat man das früher gemacht?? Gebe ihr Antwort. Sie telefoniert. Dann nuscht sie gemäss den Anweisungen am Telefon den Zimmerschlüssel hervor und zeigt mir das 3-Bettzimmer inkl. Badezimmer, welches ich mieten kann. Tiptop. Zwar unerwartet teuer für diese Gegend - handeln lässt sie aber nicht mit sich. Hm - hat wohl auch erkannt, dass ich vor dem drohenden Gewitter noch ein Dach über dem Kopf suche. Ein Blick in ihr Zimmer zeigt mir, dass sie sehr häuslich eingerichtet ist - es wohnen auch viele ältere Leute hier. Bin ich in einem Passantenheim gelandet? Wie auch immer: Ich habe ein Dach über dem Kopf und das Gewitter soll nun kommen!

WiFi hat die Lokalität nicht - dafür aber das Restaurant nebenan, wo ich nun im Apero bin. Die Chips zum Apero wurden übrigens frisch frifritiert - etwas fettig - aber lecker. Und ich brauche ja Treibstoff für meine morgige Tagesetappe. Ich esse hier auch was z'Nacht. Ich liebe den Tomaten-Gurken-Salat, der seit Serbien dick mit Käse bedeckt serviert wird, dazu habe ich noch etwas Fleisch bestellt - mal schauen, was kommt - die Karte ist auf kyrillisch und die Bedienung kann etwas English. So wird es schon was anständiges geben :-)!

Nun hoffe ich einfach, dass es über Nacht regnet und am Sonntag die Sonne wieder scheint. Ende nächster Woche sollte ich Istanbul erreichen können, ohne mich hetzen zu müssen. Gut so! Mein erstes wirklich grosses Ziel meiner Reise - im wahrsten Sinne des Wortes...

Liebe Grüsse in Euer Samstagabend!

Fotos des heutigen Tages - soweit ich welche geschossen habe - folgen dann im Verlauf der nächsten Berichte.
Patrik

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Nikola Simić (Dienstag, 05 Mai 2015 11:19)

    Hey Patrick. Kommst super voran. Der Tomaten- Gurken salalt mitt kaese heist Schoppska salata ;) Viel glueck weiterhin. Binn immer noch mitt dier unterwegs mein freund!!!

 

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