Liebe Alle
Mein Tagesausflug war sehr schön - auch wenn wir nach 4 Stunden bereits zurück waren - dennoch habe ich sehr viel gesehen - alleine hätte ich das nie geschafft...
Beim Frühstück eine deutschsprachige Familie am Nachbartisch. Nein aus Deutschland kämen sie nicht, erklären die Kinder! Aus Kanada - aha - warum dann Hochdeutsch? Die Mutter erklärt, sie sei Schweizerin, ihr Mann Deutscher und sie lebten in Kanada. Familiensprache sei deshalb Hochdeutsch. International. Getroffen in Dogubeyazit...
Bei schönstem Wetter treffe ich pünktlich um 09.00 Uhr auf Cuma - wie verabredet. Mehmet, mit welchem ich heute Abend noch zum Cay verabredet bin, war auch da.
Als erstes ging es zum Ararat - dieser zeigte sich jedoch mit einem Wolkenhut, wie der Niesen manchmal... (für die nicht CH-Leser: Der Niesen ist ein markanter Berg im Berner Oberland - hat die Form eine Pyramide - und eben hin und wieder einen Wolkenhut). Schade - aber dafür hatte ich in Cuma einen Guide, der hier wirklich jeden Stein, jede Türe und jeden Menschen kennt - von klein bis gross, von jung bis alt! Er ist hier als Kind von Nomaden aufgewachsen, wie er mir erzählt. Im Dorf, wo seine noch heute nomadisierende Familie jeweils überwintert, habe ich die Schule besuchen dürfen, wurde den Lehrern und den Kindern vorgestellt. Potzheimatland: Da herrscht Zucht und Ordnung - wenn der Lehrer ins Zimmer kommt steht die ganze Klasse stramm - aber sowas von stramm! Abgesehen davon waren die Kids hier, wie Kids nun mal sind - NEUGIERIG, laut, verspielt und lebhaft! Das tat mir sehr gut zu sehen - weckte aber auch etwas Heimweh nach "meiner Schule" an meinem ehemaligen Arbeitsplatz - Ä NEUE SCHRITT TUET JEDEM GUET... - die Velozeichnungen - der Kinderlärm (ich habe diesen Zukunftsmusik genannt), wenn die Schulbusse vorgefahren sind und die Kinder fröhlich und neugierig und lebendig ins Schulhaus gestürmt sind... - ja das wird jetzt grad mit etwas Wehmut wach - doch die Kids hier stehen in Lebendigkeit und Fröhlichkeit den Kids in meiner alten Funktion in nichts nach - und so freue ich mich an ihnen - coole Bande!!
Die drei Schulzimmer sind eher karg eingerichtet - aber es steht ein PC mit Drucker und Scanner da. Hoffe, die Kids lernen, mit diesen Dingern umzugehen - wichtig für ihre Zukunft! Fotos durfte ich - einerseits verständlich, andererseits schade - im Innern und von den Kids leider keine machen.
Die Landschaft hier hat mich völlig fasziniert - diese weite Ebene - beidseitig von den Hügeln und Bergen begrenzt - und über allem thront der Ararat in einer einmaligen Erhabenheit - GEWALTIG!! So ähnlich stelle ich mir die Mongolei vor - ähnlich, weil ich noch nie dort war... Diese Stille - nur der Wind... Die geschlossen angesiedelten Dörfer... Die weidenden Tiere (Kälber, Esel, Pferde, Schafe...) Den Ararat kann man übrigens besteigen - das sei NO PROBLEM - geübte Berggänger wären in drei Tagen oben - weniger geübte halt in vier bis fünf Tagen. Man muss nicht bergsteigen/klettern - wandern reicht! Ob ich meine Wanderfreunde aus der Schweiz davon überzeugen kann, mal den Ararat mit mir zu besteigen?? Es gibt offenbar fest eingerichtete Camps, wo die Wanderer übernachten können und bewirtet werden - Cuma war schon 507 mal oben - als Guide, wie er nicht ohne stolz berichtet.
Dann geht es weiter zur Grenze zum Iran, zum Meteorkrater. Cuma ist es an der Grenze wichtig, mir genau zu zeigen, durch welches Tor ich dann fahren muss und wir passieren zu Fuss sogar die ersten Grenzhäuschen der türkischen Grenze, damit er mir den Weg zeigen kann - fast wie Bambi werde ich von ihm instruiert. Die Zöllner, die das nicht nur lustig finden, bringt er mit ein paar Sätzen zum Schweigen. Ein Zöllner kommt ganz aufgeregt angesprungen, als er meinen Fotoapparat sieht, fuchtelt mit seiner rechten Hand und ruft "No Foto! No Foto!". Cuma regiert cool: Er fängt die rechte Hand des Zöllners ein und begrüsst ihn mit einem kräftigen Händedruckt - und setzt ihn so grad mal ausser Gefecht - und das so elegant, dass dieser sein Gesicht nicht wirklich verliert. Das muss ich mir merken!
Nun weiss ich also, wo ich durchradeln muss - und die ersten Schwarzmarkt-Geldwechsler habe ich auch schon getroffen - solche warten dann auf der anderen Seite der Grenze auch wieder auf mich - und wohl auf meiner ganzen Reise durch den Iran...
Vor der Grenze zum Iran reihen sich die LKWs im Fall auf guten 20 Kilometer in Doppelkolonne auf - da werde ich dann locker-flockig Vorfahrt haben - während sie mehrere Tage warten, bis sie am Zoll sind und das Abfertigungsverfahren durchlaufen können.
Cuma erklärt mir auch, dass viele - vor allem ärmere - Menschen aus der Region in den Iran fahren, um dort einzukaufen. Im Iran sei alles massiv billiger! Die Menschen würden dann die Dinge nach Dogubeyazit bringen und hier verkaufen - vom Gewinn würden sie leben. Vor allem Lebensmittel wie Reis, Zucker, Gemüse würden aus dem Iran so importiert. Also gibt es auch hier einen Einkaufstourismus... Türken brauchen für den Iran kein Visum, können also beliebig oft hin und her und so fleissig Handel betreiben. Gut so.
Aber auch die Staaten Türkei und Iran betreiben Handel: Die Türkei liefert Wasser in den Iran und bekommt offenbar "Oilgas" zurück.
Ich konnte den Meteorkrater besichtigen, der im streng bewachten Grenzgebiet zwischen der Türkei und Iran liegt. Ein eindrückliches "Loch", das sich jedoch als Folge der Erosion aber immer mehr auffüllt... Hier ist 1892 oder so ein Meteorit auf die Erde getroffen und hat ein gewaltiges Loch hinterlassen - das zweitgrösste seiner Art auf der Welt. Nur in Mexiko soll es noch einen grösseren Krater geben...
Dann gings zu Noahs Arche - also dem Platz, wo die Arche gestrandet sein soll. Dieser Ort liegt auf der dem Ararat gegenüberliegenden Talseite. Mir wurde im Religionsunterricht aber beigebracht, dass die Arche auf dem Ararat gestrandet sei... - was soll ich nun glauben - glauben im Zusammenhang mit Religion doch recht wichtig!? Es braucht sehr viel Fantasie, um den Landeplatz der Arche zu erkennen. Amerikanische Wissenschaftler hätten das aber so herausgefunden bei Flugaufnahmen für die Landesvermessung. Nun, dann wird es schon stimmen - auch wenn ich nicht so recht dran glauben kann - aber ich bin weder Amerikaner noch Wissenschaftler...
Weiter ging unsere Fahrt über die Berge bis 2900 müM gemäss Cumas Erklärungen. Er ist ja auch Bergführer und hat mir unterwegs bei den Stops auch immer wieder Planzen und Gräser zu essen gegeben. Ein Kraut - es schmeckt nicht mal übel - sei besonders wirksam gegen Herzbeschwerden - gut zu wissen, falls mich meine Visafragen mal zu sehr stressen sollten...
Die Fahrt führte durch abgelegene Bergdörfer, wo die Menschen ein wirklich karges, einsames und hartes Leben fristen - belastend, solche auf mich beelendend wirkende Situationen zu sehen - und doch sind sie halt auch eine Realität dieser Gegend, vor welchen die Touristen ihre Augen nicht verschliessen dürfen.
Und plötlzich steht er da, der Ishak Pasha Palast - den besichtigen wir auch und Cuma erklärt mir die einzelnen Gebäudeteile - seine Ausführungen stimmen sehr genau mit den schriftlich angebrachten Erklärungen überein - er kenn sich also hier ebenfalls sehr gut aus.
Dann müssen wir natürlich Cay trinken - und ich erfahre von ihm noch einiges über das Leben hier. Auch hier haben sich die Menschen zu organisieren, dass sie über die Runden kommen - ihr wisst, was ich meine. Um ein gutes Leben leben zu können, brauche man hier gut 2000 Dollar im Monat. Das sei aber nicht einfach zu verdienen! Ein gutes Haus zu mieten koste inkl. Wasser und Strom um die 200 Dollar. Käme mich also ab 10 Nächten Aufenthalt hier günstiger als das Hotel...
Ja und dann sei es hier nach wie vor klar geregelt, dass eine Frau, die mit 18, 19 Jahren noch nicht verheiratet sei noch bei den Eltern wohne und nicht alleine auf die Strasse gehe - vielmehr werde sie von der Mutter oder dem Bruder begleitet - sonst sei klar, was sie suche, nämlich flüchtige Bekanntschaften - und habe sofort einen schlechten Ruf und finde keinen Mann mehr. Er ist mit mir einig: Es ist hier viel einfacher als Mann zu leben... Und er weiss auch, dass das im Westen seines Landes und in Westeuropa anders ist - einfacher auch für Frauen. Andere Länder - andere Sitten. Ich masse mir kein Urteil zu - bevorzuge aber klar den Lebensstil, in welchem ich erwachsen werden durfte...
Am späteren Nachmittag treffe ich Mehmet von dessen Netzwerk ich in den nächsten Wochen im Iran profitieren darf. Einfach ein genialer Typ, so spontan fröhlich und gastfreundlich - er drückt mich zum Abschied ganz fest und ich bekomme zwei dicke Küsse auf die Backen.
So geht meine Zeit in der Türkei langsam den Ende zu - und ein neues Land wartet auf mich, aus welchem ich mich wohl nicht so oft melden werde - oder doch? Wir werden sehen. Heute nochmals mit meinen Liebsten telefoniert. Tat gut, war schön - wir hören und sehen uns wann immer möglich!!
Ja und nun verabschiede ich mich vorsorglich auch mal von meinen treuen Bolglasern - lasst Euch überraschen, wenn es aus dem Iran weiterhin so gut klappt - keine Sorge, wenn ihr von mir nichts hört - es ist mir nichts passiert - nur die WiFi-Dichte fehlt...
Herzlich
Patrik
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