Samarkand – die Stadt aus 1001 Nacht! Noch immer freue ich mich extrem, seit dem 15. Juli hier zu sein, diese Stadt auf dem Landweg erreicht zu haben. Ich schaue auf 15 Reisewochen zurück – und ganz viele Erfahrungen, die ich sammeln durfte, die mein Reise-Leben prägen. Ja, ich schaue durchaus auch mit einer Portion Stolz auf die bisherigen Reisewochen und die Tatsache, Samarkand erreicht zu haben, zurück. Das mag für „alte Reisehasen“ doof klingen – für mich ist es nun mal eine spezielle Erfahrung, war ich doch noch nie in meinem Leben so lange auf eigene Faust unterwegs. Ich lernte über mich: Ich bin zu mehr fähig, als im Büro zu sitzen J!
Reise- und Lebenserfahrungen – die begegnen mir im Guesthouse hier in Samarkand in verschiedenster Art und Weise und ich möchte versuchen, Euch diese im aktuellen Blogbeitrag etwas zu beschreiben.
Das Guesthouse Bahoudir hier in Samarkand wurde mir ja wiederholt dringend empfohlen. Als ich hier eingetroffen bin, wirkte das Guesthouse auf mich abgewohnt – aber OK. Doch ich habe die Seele dieses Ortes schnell gefunden – sie entsteht durch die Gastfreundschaft der Betreiberfamilie und durch die vielen unterschiedlichen Reisenden, die hier absteigen.
Vorgestern Abend haben einige Reisende und ich beschlossen, gemeinsam Spaghetti zu kochen. Die Küche des Guesthouses darf von den Gästen nämlich mit-benutzt werden, um selber zu kochen. Mutig habe ich erklärt, ich würde die Sauce kochen – hm, ja ich staunte auch über dieses sehr spontane Angebot, koche ich doch nicht wirklich gut – aber gerne. Wie auch immer. Auf dem Basar habe ich Tomaten eingekauft – das Kilo für 30 Rappen. Ebenso Zucchini. An einem anderen Marktstand kaufte ich Karotten, welche hingegen 60 Rappen/Kilo kosteten. Am nächsten Markstand wollte ich noch einen Knoblauch und zwei Chilischoten kaufen – dafür wollten die Verkäuferinnen doch glatt auch 30 Rappen – also gleich viel wie für ein Kilo Tomaten. Das dünkte mich dann doch etwas übertrieben – doch ich konnte den Preis nicht drücken, sie blieben hart – habe mir dafür noch einen Bund frischen Korianders eingehandelt.
Auf dem Heimweg im Supermarkt noch Käse gekauft – kein Parmesan – aber Käse, der war mit 3 Franken für 400 Gramm doch eher teuer, zumal man für 3 Dollar ein 3-Gang-Menu bekommt. Wie auch immer. In der Küche im Guesthouse habe ich dann geschnipselt und die Sauce wurde auch wunderbar gut. Für Christiana aus Italien war es jedoch eine gewaltige Überraschung, dass es in der Sauce Karotten hatte – Karotten in einer Tomaten-Spaghettisauce – ein NO GO! Tja, so hat die 60jährige Christiana halt zum ersten Mal im Leben SPAGHETTI A LA VERDURA A LA SVIZZERA TEDESCA gegessen – und überlebt. Gemeinsam haben wir dann den Abwasch gemacht – mit einem Schwamm, der wohl schon einige Zeit in Gebrauch war, bevor das Nepalthesi hier vor zwei Jahren auch gewohnt hat... In der Schweiz würde mit diesem Schwamm niemand sein Auto waschen wollen. Hier wird das Geschirr damit abgewaschen. Was soll’s – es ist hier so und darum ist es richtig und kein Drama – es ist hier Standard – und ich kann mich problemlos damit arrangieren – Christiana und ich haben herzlich gelacht und abgewaschen – froh zu sein bedarf es wenig...
Das Leben hier im Guesthouse scheint mir so wie in einer grossen Wohngemeinschaft. Ich habe zwar mein eigenes Zimmer – das Leben spielt sich aber im Innenhof des Guesthouses ab, wo am langen Frühstückstisch 14 oder noch mehr Gäste aus aktuell Australien, Neuseeland, Schweiz, Deutschland, Dänemark, Italien, Taiwan, England, Russland, Ukraine und Holland sitzen (der Holländer fährt jeden Millimeter der Strecke mit dem Rad – in holländischen Holzschuhen...) Das Alter der Gäste liegt zwischen 22 und 78 Jahren. Es kommen hier die unterschiedlichsten Lebenserfahrungen und persönlichen Hintergründe zusammen – und das macht den Aufenthalt hier so bunt und ausserordentlich interessant.
Ich geniesse es sehr, in dieser Gemeinschaft auf Zeit gemeinsam mit anderen Gästen zu kochen oder mich mit ihnen auszutauschen, ernsthafte Gespräche zu führen – und viel zu lachen. Ich treffe auf wirklich spannende Menschen:
Christiana, 60jährig, aus Italien. Sie reist seit 17 Jahren rund um die Welt – immer auf der Suche nach Sonne. Wie sie ihre Reiserei finanziert, hat sie uns nicht verraten. Einzig: Früher habe sie auf dieser Frage mit „Ich arbeite unterwegs als Edelprostituierte“ geantwortet – das glaube ihr heute mit 60 aber niemand mehr. Darum antworte sie heute mit der Gegenfrage „Kennst Du das Wort Millionär?“. Sie hat viele Geschichten aus allen Erdteilen zu erzählen – und schaut auch auf ein interessantes Leben zurück, in welchem es die eine oder andere schwierige Situation gab, welche schlussendlich in einem Happy End endete. Dass ihre Familie ihren Lebensweg nicht nachvollziehen kann, kümmert sie nicht mehr – zu wichtig sind ihr die vielfältigsten Erfahrungen, Begegnungen und die Freiheit, die sie erfahre - ...! Als ich Christiana als „Crazy“ bezeichnete, meinte Andri aus der Ukraine: NEIN! Sie ist nicht crazy – sie ist Italienerin. Und ja, das ist Christiana mit Leib und Seele – und mit Temperament...!
Dietrich, 78jährig, aus Deutschland. Er bereist seit den 1950er-Jahren die Welt. Hat Afghanistan gesehen und reist auch heute noch, wie damals als Backpacker: Auf eigene Faust und mit bescheidenem Budget, obwohl er über eine gute Rente verfügt und Zeit seines Lebens gut verdient hat. Er bezeichnet sich als Spartaner und beeindruckt mich sehr! Äusserst spannend, mit ihm über vergangene und aktuelle Zeiten zu diskutieren, seinen Erzählungen zu lauschen – von ihm zu lernen! Was für ein Reichtum an lebendiger Geschichte sich mir mit Dietrich präsentiert...! wie schön zu sehen, dass sich Dietrich hier unter all den jungen Gästen gut integriert und dazu gehört – ja auch 78jährig kann man ein junger Backpacker sein... Keiner zu alt, ein Backpacker zu sein...!
Patrick, 28-jährig, aus Deutschland. Er reist seit 8 Jahren immer und immer wieder mit dem Velo durch und um die Welt und hat sich zum Ziel gesetzt, jedes Land dieser Welt zu besuchen. Er finanziert sich u.a. durch das Programmieren von Software/ Computerspielen. Spannend auch zu sehen, mit wie wenig Gepäck man unterwegs sein kann. Spannend zu sehen, dass ein junger Mann sich mit dieser Leidenschaft seinem Traum widmet und dafür auch einiges einsteckt – und dafür fröhlich und glücklich in die Welt hinaus schaut...! Ich brauchte dazu ungleich länger, bis ich den Mut aufbrachte – vielleicht auch nur den Mut des Verzweifelten – aber nun bin ich auch unterwegs – und das ist ein enormes Glück...!
Ich könnte Euch noch ganz viele Menschen beschreiben, die ich treffe – ein unheimlicher Reichtum an Geschichte, Lebenserfahrung, Reiseerfahrung und Know How trifft hier aufeinander – und macht den Aufenthalt hier so spannend und reich. Eigentlich eine Reise in der Reise, diesen Kameraden zu begegnen...!
Weiter geht’s…..
Ich reise hier in den nächsten Tagen (voraussichtlich am 21. Juli) ab in Richtung Dushanbe, wo ich dann zuerst wieder Papierkram zu erledigen habe (Permit für die Reise über den Pamir Highway beantragen und mich in Tajikistan registrieren lassen) – das wird einen, zwei oder mehrere Tage in Anspruch nehmen – niemand kann das so genau sagen – man hört vieles – ich muss es selber erfahren gehen...).
Danach reise ich möglichst schnell in Dushanbe ab - weiter Richtung Pamir Highway – das wird ein ganz besonderes Abenteuer werden.
Der Pamir Highway bzw. das Wakhan Valley wird DER Höhepunkt meiner ersten Reisemonate... Ihr könnte Euch mal Bilder dazu unter Wakhan Valley anschauen (Google) – ja, DA werde ICH auf Passpartu durchreisen. Ich freue mich sehr auf diese Strecke, auch wenn sie anstrengend werden dürfte. Aber die Landschaft wird mich für vieles entschädigen – für sehr vieles – und ihr glaubt gar nicht, wie freudig aufgeregt ich diesem Abenteuer entgegenschaue!!!
Ihr seht, meine Reise bringt mich nicht nur räumlich vorwärts – auch persönlich lerne ich viel, sehr viel – über mich, über und von anderen Menschen und bin sehr dankbar, dass mich so spannende Menschen an ihrem aktuellen und bisherigen Leben für einen Moment teilhaben lassen – eine ganz besondere Qualität.
Es ist gut möglich, dass ich mich erst aus Dushanbe wieder melde, wo ich Anfang August 2015 (ca. 03.August) eintreffen werde. Denn: Unterwegs zur Grenze Uzbekistan/Tajikistan erwarten mich 450 – zumeist hügelige – Kilometer durch ein meist nur von kleinen Dörfern besiedeltes Gebiet. Da erwarte ich kein WiFi – und bin froh, wenn ich einen Platz für mein Zelt finde und Essen und Getränke einkaufen kann – und dann auch ein Hotel, in welchem sich Ausländer registrieren lassen können. Tja, solange müsst ihr dann halt warten. Auch auf Bilder aus Samarkand müsst ihr warten, weil das WiFi hier diese selbst in der höchsten Komprimierungsstufe nicht über den Sender bringt. In Dushanbe soll es aber im von mir anvisierten Guesthouse das „schnellste und stärkste WiFi östlich Istanbul“ geben... Das wenigstens haben andere Reisende berichtet, welche meine Strecke in der Gegenrichtung fahren...
Herzlich in die Welt hinaus
Patrik Kirtap
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