KHORUG - PAMIR - SARY TASH - OSH...

Liebe Alle

 

Letztmals hatte ich am 20. August 2015 Internet – das kommt mir richtig lange vor – SEHR LANGE - zumal ich die letzten Tage auch kein Handynetz mehr hatte – ich war quasi verschollen...

Nun bin ich aber wieder da...:

Es geht mir sehr gut – ich bin in Osh angekommen, wo es im Guesthouse so etwas wie WiFi gibt, welches aber sehr langsam dreht – ich weiss nicht, ob ich Fotos hochladen kann – darum mal die Textversion... Es wird ein langer Blog - sehr lange.

 

Erste Fotos bis und mit Murgab findet ihr HIER - weitere Fotos folgen dann in den näcshten Tagen/Nächten...

 

Ich habe seit Khorug sicher die eindrücklichsten und intensivsten Abschnitte meiner Reise über den Pamir bewältigt – es war wunderbar!! Manchmal auch wirklich streng, hart, mühsam, aufwändig – aber nie aussichtslos! Ich bin sehr glücklich und zufrieden, diese Reise gemacht zu haben und auch ein wenig stolz, alles so gut gemeistert zu haben – auf meine Art und Weise gemacht und gemeistert!! Meine Reise eben – La Route de soi... Dieses Wortspiel aus Khorug gefällt mir immer besser...!!

 

Seit dem 20. August 2015 habe ich wiederum ganz viel erlebt. Ich kann Euch das nicht alles ausführlich berichten, weil kaum jemand von Euch so viel Zeit, Geduld und Nerven hat, das alles zu lesen...

Ich fasse einfach mal zusammen so gut es geht und dokumentiere mit Fotos und Videos, sobald/soweit das irgendwie möglich wird – und befürchte, mein heutiger Blog sprenge doch die Lesegeduld vieler Leserinnen und Leser – ich erfasse ihn mehrheitlich offline in Sary Tash wo ich Ruhe- und Genesungstage eingelegt habe – und mich einmal mehr vor dem Wetter fürchtete – und in Osh, wo ich ja zwischenzeitlich angekommen bin...

 

Nach meiner Ankunft in Sary Tash – das ist der erste „Ort“ in Kirgistan nach dem Pamir (aber es ist nicht wirklich was los in Sary Tash, ein Nest - aber gut und schön!) – hat  sich das Wetter deutlich verschlechtert:

Es regnete, wurde sehr kalt, schneite nachts leise und fein und der Bergzug, den ich zu überqueren hatte – es geht hier zwar „nur noch“ auf maximal knapp über 3600 MüM aber trotzdem - ist in die dicke Wolken und Nebel gehüllte. Da oben sieht es so gar nicht gemütlich aus! Zudem bin ich mal wieder grippig/fiebrig drauf und habe überhaupt keine Lust, in diesem Zustand irgendwo zu campen – also bleibe ich mal hier in Sary Tash, wo ich in einem netten Homestay abgestiegen bin, wo es lecker zu essen und viel Tee zu trinken gibt... Für meine Weiterreise habe ich auch konkretere Pläne geschmiedet...

 

Ich merkte bei den zum Teil strengen – ja manchmal auch mit schwierigen Situationen gefüllten -  Tagen und noch strengeren bzw. eben kalten Nächten auf dem Pamir, dass ich wissen will/muss, wie es nach meiner Ankunft in Bishkek weitergehen soll mit meiner Reise. Ich will ja die „Schlechtwetterphase“ in Nordvietnam an einem schönen, sonnigen, spannenden Ort überbrücken und nicht zwingend vor Anfang Dezember in Hanoi eintreffen. Ich fürchtete mich etwas davor, dass nach meinem Highlight „Pamir“ die Luft raus sein könnte und ich ohne „konkrete Pläne“ für meine Weiterreise in Bishkek auch emotional „stranden“ könnte.

So habe ich in der dünnen Luft des Pamirs nachgedacht  - so gut es ging - als ich die Pässe geknackt habe: Kasachstan, China und Russland sind für mich aus unterschiedlichen Gründen definitiv keine Option. Daher habe ich für mich folgenden Plan geschmiedet, den ich in Osh konkretisieren will, sobald ich diese Stadt, die den Namen meines Freundes Osch trägt, auch wirklich mal erreiche dort auch WWW habe, um abschliessend recherchieren und buchen zu können...:

Von Osh aus will ich Bishkek mit Passpartu langsam erreichen, die Zeit in Kirgistan geniessen (ich darf 60 Tage ohne Visum in Kirgistan bleiben – muss also spätestens am 04. November 2015 ausreisen). Es gibt verschiedene Routen, auf welchen ich Bishkek erreichen kann – die meisten sollen sehr schön sein. Ich werde wohl kaum das Pech haben und die einzige nicht so schöne Variante auswählen... Ich freue mich auf diese Fahrt, die um die 10 Tage dauern dürfte!

Nach einigen Ruhetagen in Bishkek möchte ich dann – so in der ersten Hälfte Oktober - nach Kathmandu fliegen, dort ca. 1 bis 1.5 Wochen bleiben (Akklimatisation habe ich im Pamir als wichtig erlebt...) und dann ein Annapurnatrekking machen. Kein wildes Trekking – NEIN! Vielmehr 3-4 Wochen wandern und die Bergwelt Nepals auf mich wirken lassen (Insider: Passt auf, liebe Route 6 Gruppe – ich komme dann mit Höhentraining zurück!!). Oktober und November sollen gute Monate für ein solches Trekking in Nepal sein. Das haben mir bisher viele Reisende hier auf dem Pamir bestätigt und auch im Internet steht das so geschrieben – also wird es schon stimmen! Ein Reisender, der während des Erdbebens in Nepal unterwegs war, hat mir die Adresse seiner Reiseagentur gegeben, dort könne ich Passpartu bestimmt sicher im Büro deponieren, bis ich vom Trekking zurück sei. Das wäre natürlich ideal! Dass in Nepal nach dem verheerenden Erdbeben nicht alles funktioniert spielt für mich keine Rolle. Ich teile vielmehr die Auffassung: Wenn die Touristen nun nicht nach Nepal reisen, weil nicht alles funktioniert, dann wird in Nepal viel Geld fehlen, welches für den Wiederaufbau notwendig ist! Und ich habe ja gelernt mit einfachster Infrastruktur umzugehen – und dabei auch gelernt: Es ist wunderbar eine warme Dusche zu haben am Abend nach langen Velotagen – aber ich überlebe auch ganze Wochen problemlos ohne (warme) Dusche. Unkraut vergeht offenbar tatsächlich nicht – und wenn ich doch vergehen wollte, weiss ich, dass ich kein Unkraut war – ich bin also ein Siegertyp!!

Ich habe mich für Nepal entschieden, weil es „auf meinem Weg“ liegt, der mich ja via Nord-Vietnam nach Laos, Kambodscha, Thailand, Malaysia und schlussendlich nach Singapur führen soll. Die Option Taiwan habe ich in der dünnen Luft des Pamirs verworfen, weil Taiwan nicht „auf meinem Weg“ liegt und ich mich vor dem „Kultur-Ping-Pong“ etwas fürchte: Mit Taiwan würde ich nämlich ein vergleichbar reiches und wohl auch recht westlich geprägtes/entwickeltes Land bereisen. Da gibt es bestimmt überall Duschen mit warmem Wasser und gem. Internet soll es auch sehr schöne Quellen/Bäder geben, wo man baden kann – eine Infrastruktur nach der ich mich ehrlich gesagt schon etwas - NEIN SEHR! - sehne... Doch nach einigen Wochen Aufenthalt in Taiwan würde ich ja zurück nach Südostasien reisen, wo es dann wieder viel einfacher zu und her gehen kann/wird – je nachdem, welche Gebiete ich dann wieder mit Passpartu befahren und bereisen werde. Daher möchte ich „auf meinem asiatischen Weg“ bleiben: La Route de soi!

So viel also zur geplanten Weiterreise, auf der ihr mich hoffentlich weiterhin begleitet?!! Doch was ist seit meinem letzten richtigen Blogartikel denn sonst alles passiert...???

 

21. August 2015 – Auf ins Wakhan Vally...

Heute fahre ich also alleine in Khorug in Richtung Wakhan Valley ab! Emil, ein Radler aus Deutschland, hat sich ja entschieden, wandern zu gehen und dann noch in Khorug das Muskfestival zu besuchen. Das ist gut so – wir hatten von Anfang vereinbart, dass wir zwar zusammen fahren, aber unabhängig sein wollen – jeder kurzfristig für sich entscheiden kann, denn: Hier ist jeder irgendwie auf seiner Reise – und soll es auch bleiben, wenn man gemeinsam unterwegs ist...!!

Frohen Mutes beschaffe ich mir noch Lebensmittel (insbesondere Instantnudeln und Konserven sowie Trinkwasser), weil ich von anderen Reisenden hörte, dass es im Wakhan nichts geben soll... Also: Kluger Rat – Notvorrat. Eine typisch schweizerische Tugend...!

Auf meiner Reise durch das Wakhan Valley zeigte sich dann allerdings, dass es im Wakhan immer wieder „Magasins“ und Homestays gibt, in welchen man sich problemlos verpflegen kann. Die Magasins haben zwar meist ein nicht auf Velo-Reisende ausgerichtetes Sortiment. Längst nicht jedes Magasin verkauft z.B. Wasser oder „gescheite“ Lebensmittel. So musste ich halt jeweils mehrere Magasins besuchen, bis ich meine Haushaltung wieder optimiert hatte.  Aber ich hatte ja Zeit und es war auch spannend zu sehen, was die Magasins alles so anbieten: Wanduhren, Vorhänge, Kleider, Schuhe, Süssigkeiten, Bisquits, Motorenöl, Ersatzteile für lokale Autos und Motorräder, TV-Geräte, Haushaltartikel – und wenn es hoch zu und her ging auch mal ein Snickers oder gar ein Mars – oder ein Original Cola. Die Menschen im Wakhan sind offenbar stark auf Selbstversorgung ausgerichet und trinken das Wasser vom Brunnen oder vom Bach. Es kommt wohl nur mir in den Sinn, Wasser in PET-Flaschen kaufen zu wollen... Aber wie ihr seht, bin ich nicht verdurstet. Ich habe hin und wieder Wasser gefiltert oder im Homestay Tee in die PET-Flaschen gefüllt und quasi als Marschtee mit auf meinen Weg bekommen – oder habe hin und wieder doch eine, zwei Flaschen Wasser kaufen können. So gesehen lief alles sehr viel besser, als ich erwartet habe! Auch von den mir geschilderten Diebstahlsituationen blieb ich verschont. Mir wurde nämlich berichtet, dass vom Velo geklaut werde, was nicht niet- und nagelfest sei. Also immer Velocomputer und Trinkflaschen und so auf sich tragen. Ein Velofahrer habe sogar die Besitzerin des Homestays ertappt, als diese in seinen Taschen genuscht haben soll. Ich sage nach meinen Erfahrungen: Alles Hafenkäse, Bullshit – die Leute im Wakhan sind herzallerliebst gastfreundlich! Und dass mal ein Kind den Velocomputer klaut – dazu muss ich nicht bis nach Tajikistan reisen. In Bern wird mir nämlich nicht nur der Velocomputer geklaut – da klaut man mir gleich das ganze Velo, wenn ich es nicht wirklich gut sichere... Ein Deutscher Velofahrer – er ist in meiner Gegenrichtung unterwegs -  hat mich gefragt, wie ich den Langar erlebt hätte – dort soll es gefährlich sein, er sei gewarnt worden, ein Velofahrer soll dort bestohlen worden sein. Ich habe ihm geantwortet, dass ich Langar sehr angenehm erlebt habe – und er ja nie nach Bern kommen soll, denn dort sei in meine Wohnung eingebrochen worden, als ich geschlafen hätte – also sei Bern ein sehr gefährlicher Ort...!! Und das ist Realität und keine Reiselatein! Also: Vergesst diese Schauermärchen – passt ganz normal auf Euch und Eure Sachen auf – das Wakhan ist ein feiner, sicherer Ort voller herzallerliebster, hilfsbereiter und äussert gastfreundlicher Menschen!!

 

Also nun wirklich der Reihe nach...:

 

21. August 2015 – Pannen und Kirtap brennt...

Ich startete problemlos in den Tag, geniesse die wunderbare Landschaft und bin gespannt, was mich im Wakhan wirklich alles erwartet. Um die Mittagszeit erreiche ich ein Restaurant, wo ich Nudelsuppe mit Kartoffeln und Karotten sowie RC-Cola vertilge. RC-Cola ist die lokale Cola – schmeckt nicht wirklich gut und schon gar nicht wie das Original – aber froh zu sein bedarf es bekanntlich wenig...

Nach der Mittagspause fahre ich freudig weiter bis ich einige Kilometer später feststellen muss: Passpartus Vorderrad ist platt! Eigentlich kein Wunder bei diesen Strassen... Doch mitten im Nirgendwo ist so ein Plattfuss doch einfach nur riesengrosse Sch.....!! Doch fluchen und poltern änderte nichts an der Situation. Ich lade Passpartu ab, drehe ihn auf den Sattel, baue das Vorderrad aus und flicke den Schlauch – die Faltschüssel, welche ich vor vielen Jahren von meinem Gschbusi geschenkt bekommen habe (das war ein Geschenk für meine erste grosse Allein-Tour 2007 mit Passpartu durch Norwegen/Schweden – lange ist’s her – was haben Passpartu und ich seither nicht schon alles gemeinsam erlebt...??), diente mir mit meinem heiligen Trinkwasser gefüllt sehr, das doofe Loch zu finden. Das Loch ist denn auch schnell repariert – Schlauch und Pneu ebenso schnell wieder montiert. Beim ersten Platten am Vorderrad brauchte ich noch Andreas’ Hilfe, um den (zu?) satt sitzenden Pneu wieder auf die Felge zu bringen. Nun kann ich es mit etwas fluchen aber ganz alleine (Onkel Rolfs Fluch-Früherziehung hat mir also auch in dieser Situation geholfen – wie damals in Yazd, als die Taxifahrer...!). Pumpen konnte ich den reparierten Schlauch dann aber nicht, da meine Pumpe tatsächlich den Geist aufgegeben hat – das zeigte sich schon bei der Abfahrt in Samarkand, doch wollte ich es damals einfach nicht glauben, so nach dem Motto: Was nicht sein darf, ist nicht! Nun muss ich es halt fühlen... – denn: Es bestätigt sich...! So ein Seich!! Aber ich habe am Strassenrand oft Autofahrer gesehen, die ihre Autopneus von Hand aufgepumpt haben – an den Tankstellen hier gibt es nämlich keine Kompressoren, wie bei uns, um die Autopneus zu pumpen... Zum Teil haben die Autofahrer auch kleine Pumpen dabei, die sie am Zigarettenanzünder anschliessen können – das geht dann noch einfacher... Und da meine Räder ja auch Autoventile haben, eignet sich eine solche Autopumpe auch für Passpartus Vorderrad. Also einfach warten, bis ein Auto kommt und pantomimisch darstellen, dass ich eine Pumpe brauche. Das erste Auto kommt dann auch ganz schnell – doch deutet mir der Fahrer, dass er keine Pumpe habe. Also warten auf das nächste Auto – warten und hoffen... Das zweite Auto kommt gute 20 Minuten später, hält sofort an, als ich meine Pump-Pantomime mache.  Der Fahrer springt heraus, öffnet den Kofferraum und eilt mit einer uralten, rostigen Pumpe zu mir und pumpt mir Passpartus Vorderrad gleich selber auf. Das ist aber ein flotter Service!! Tausend Dank!! Glücklich darüber, dass ich die Panne selber flicken und mich auf die Menschen hier im Wakhan bereits an meinem ersten Tag verlassen konnte, fahre ich weiter, merke aber, dass es mir zunehmend schlecht und schlechter geht. Ich fühle mich matt, ausgelaugt, grippig, fiebrig – leer! Und zwar schlagartig – als ob jemand einen Schalter gedrückt hätte weiss ich: Ich bin krank!! Hilfe!!

Bis Ishkashim, wo das erste Homestay hinter Khorug steht, sind es noch um die 60 Kilometer – das schaffe ich heute Nachmittag niemals – nach Khorug zurück ist es fast gleich weit, also auch unmöglich. Und in meinem Zustand zu campen stelle ich mir jetzt grad ganz doof bis schlicht unmöglich vor... Was nun??

Und dann, ja dann hat Passpartus Vorderrad schon wieder Platten – ich bin keine fünf Kilometer gefahren – ich breche vor Ärger, Frust und Schwäche fast zusammen – und verfluche mich dafür, die Idee gehabt zu haben, mit dem Velo alleine über den Pamir fahren zu wollen...!!!

Wie kann man nur so doof sein...???

Eine nervliche Belastungs- und Bewährungsprobe...!!!

Die erste dieser Art...!!!

Am ersten Tag im Wakhan Valley, wo alles so diffus beschrieben wurde von anderen Reisenden... Was nun??

Ich versuche mit dem halben Plattfuss das nächste Dorf zu erreichen in der Hoffnung, dort einen Platz für die Nacht zu finden... Ich kämpfe mich also mal weiter und erreiche für mich unerwartet plötzlich das Nächste Dorf bzw. zuvor einen Checkpoint. Die Polizisten prüfen meinen Pass und mein OVIR-Permit (habe ich in Khorug ja machen lassen, falls ich länger als 30 Tage in Tajikistan bleiben werde). und erklären mir, ich sei ja Australier. Das ist mir in meinem Zustand nun wirklich ziemlich egal – selbst wenn sie mich als Marsmensch in ihre Bücher eintragen würden, wäre mir das grad einfach nur wirklich egal – und als Marsmensch könnte ich bei meinem Marskonsum, den ich in Khorug hatte, durchaus durchgehen...

Und doch interessiert es mich, wie sie darauf kommen, dass ich Australier sei. Sie erklären mir, das stehe so in meinem OVIR-Permit, das sei aber NO PROBLEM. Da bin ich aber noch so froh, ist das kein Problem – und Australier zu sein, ist ja auch gar nicht schlimm und wohl wirklich kein Problem – ausser man habe einen CH-Pass... Da waren die Damen im OVIR-Office in Khorug wohl doch zu sehr in das Betrachten der Hochzeitsfotos vertieft und haben halt was verwechselt – kann ja mal vorkommen, wenn man sich nicht so sehr auf die Arbeit konzentrieren mag...

Ich frage die Polizisten, ob es hier ein Guesthouse oder so gibt – sie meinen, ich soll sieben Kilometer weiterfahren und dann nach links abbiegen und nochmals etwa sieben Kilometer ins Seitental hochfahren. Da hätte es etwas. Das traue ich mir aber in meinem Zustand schlicht nicht mehr zu, zumal ich Passpartus Vorderrad für diese Strecke zuerst nochmals flicken müsste – was ich schlicht nicht auf die Reihe zu bringen glaube, da mir dazu die Energie – nicht einmal die Motivation – fehlt...

Ich sage den Polizisten, ich bräuchte ein Taxi nach Ishkashim in ein dortiges Homestay. Sie meinen, sie würden mir einen LKW organisieren, der mich mitnehmen würde. Das sei gratis oder auf jeden Fall viel billiger. Doch die LKW-Fahrer, welche am Checkpoint ja auch kontrolliert werden, haben keine Lust, Passpartu und meinen mobilen Haushalt einzuladen. Also gilt es ein Sammeltaxi abzuwarten, das einen Dachträger und darauf Platz für Passpartu hat (das ist nicht zwingend gegeben, da die Menschen hier zum Teil mir sehr viel Gepäck und Einkäufen aus der Stadt unterwegs zurück in ihre Dörfer sind, und da wird vieles auf dem Dach des Taxis befördert...), Platz für mein Gepäck und einen freien Sitz für mich hat... Das sind doch einige Voraussetzungen, die zeitgleich erfüllt sein müssen... Das dauert entsprechend...

Während ich warte kommen zwei Motorradfahrer angebraust. Der eine spricht mich auf Englisch an und meint, ich würde aber nicht gut aussehen. Ich erkläre ihm, ich sei krank und Passpartus Vorderrad hätte auf fünf Kilometer zum zweiten Mal Platten am gleichen Tag – ich hätte schlicht keine Energie mehr – würde auf einen Transport nach Ishkashim warten und hoffte, dieser sei bald organisiert – ich bräuchte einfach nur noch ein Bett...!! Der Motorradfahrer meint spontan, er hätte einen Pannenspray, mit welchem er platte Pneus an seinem Motorrad flicken könnte – das müsste doch auch für Fahrräder gehen und fragt mich, ob er davon in Passpartus Vorderrad spritzen soll. Ich antworte ihm müde, erschöpft und wohl auch etwas unfreundlich „Mach was Du willst...“. Er baut seine Gepäckboxen ab, kramt den Pannenspray hervor und spritzt davon in das Vorderrad, bis der schaumige Inhalt aus dem Ventil zurück drückt und es ausschaut, als ob es geschneit hätte. Damit sich der Schaum gut verteilt, drehe ich einige Runden mit Passpartu. In dieser Zeit montiert der Motorradfahrer seine Gepäckbox wieder und erledigt die Formalitäten am Checkpoint – und die Polizisten haben für mich ein Taxi gefunden. Der Motorradfahrer verabschiedet sich von mir, ich bedanke mich und er meint dann noch in der ganzen Hektik „By the way – what’s your name?“ Wir stellen uns gegenseitig vor – sein Kollege schiesst noch ein Foto und dann fahren sie weiter, während Passpartu bereits auf dem Dach des Taxi-Jeeps festgezurrt wird. Mein Pannenhelfer ist Micki von www.motortour.hu.

Der Taxi-Fahrer lädt nicht zum ersten Mal ein Fahrrad auf und hat Passpartu von sich aus auf die richtige Seite gelegt – also nicht auf den Wechsler/die Gangschaltung – das prüfe ich, in dem ich mich auf das Dach des Jeeps quäle – denn: Wenn es mir schon schlecht geht, soll nicht Passpartu auch noch mehr Schaden nehmen! Prima. Aus einem Jeep aus der Gegenrichtung, der am Checkpoint auch anhalten muss, erfahre ich von anderen Touristen, dass ich nicht mehr als 40 Somoni für die Fahrt nach Ishkashim bezahlen soll, das sei der Preis für Einheimische, den sie Dank einer Einheimischen auch gekriegt hätten. Mein Taxifahrer will 40 Somoni für mich und 20 für Passpartu auf dem Dach. Das ist absolut OK – ich würde in meinem Zustand auch sehr viel mehr bezahlen, das sage ich ihm aber natürlich nicht – ich will einfach nur noch ein Bett in einem Homestay oder Guesthouse...!!!

Ich kriege also den letzten freien "Platz" im mit Gepäck überfüllten Jeep zugewiesen: In der dritten Reihe ist ein Notsitz frei. Ich  muss mich wirklich auf diesen Sitz zwängen, mich einfädeln – fast wie bei Tetris... Die Fahrt wird extrem anstrengend, ich kann meine Beine nicht bewegen, bekomme den Krampf im rechten Bein, muss aufpassen, dass ich bei gröberen Bodenwollen oder Schlaglöchern nicht den Kopf an der zwar gepolsterten Decke der Fahrtgastzelle verletze... Ich bin sehr froh als unklar ist, ob der Fahrer einen Hund oder doch eher ein Huhn  oder nichts von beidem überfahren hat und anhält um zu prüfen und ich kurz aussteigen und meine Beine strecken kann. Er hat offenbar nichts überfahren, berichtet er gute 5 Minuten...

Ich habe den Eindruck zu brennen, so heiss ist mir. Gefühlte Stunden später kommen wir in Iskashim an, wo mich der Fahrer im Homestay aussetzt – es ist dunkel. Ich sehe nicht wo ich wirklich bin – im Dorf? Ausserhalb? Wie auch immer... Sofort werde ich aber von Reisenden begrüsst, die ich schon in Khorug gesehen habe und die auch hier abgestiegen sind. Beccy zum Beispiel hilft mir spontan mein Gepäck reinzutragen – sie wechselt sich mit ihrem Partner Rob im Kranksein ab – aktuell geht es ihr gut – Rob liegt krank im Bett... Ich habe die beiden Radfahrer aus England bereits in Dushanbe und Khorug getroffen...

Ich erkundige mich nach einem freien Bett – alles ausgebucht. Viele Touristen sind wohl hier, weil sie sich auf den Boarder-Market in Afghanistan gefreut haben – dieser ist jedoch zu, da die Lage in Afghanistan zu unübersichtlich sei. Denn: Jeweils am Samstag ist - bzw. war - es möglich den Markt zu besuchen, der auf der Seite von Tajikistan und Afghanistan durchgeführt wird/wurde. Am Checkpoint haben die Polizisten mir gesagt, man befürchte Selbstmordbombenanschläge – die Polizisten haben das sehr eindeutig und theatralisch pantomimisch dargestellt und dazu gelacht... – daher sei der Boarder-Market eben geschlossen. Für die Einheimischen ist das problematisch – denn der Boarder-Market war auch eine Möglichkeit, die Verwandten zu treffen, die auf der Seite Afghanistans leben – hier sind verschiedene Familien durch die Grenzziehungen und die Irrungen und Wirrungen der Vergangenheit getrennt... Doch der Boarder-Market ist für mich in meiner Situation eh kein Thema – ich will einfach nur schlafen...!

Ich kann meine Schlafmatte auf dem Boden im Massenschlag auslegen und dort schlafen. Das ist mir noch so recht – jetzt einfach nur noch schlafen!! Doch: Mir wird die Dusche gezeigt und ich geniesse eine warme Dusche. Das hätte ich hier nicht erwartet – das ist DER Aufsteller des Tages – ihr glaubt gar nicht, wie schön sich eine Dusche anfühlen kann... Nach der Dusche trinke ich noch einen Krug Tee und esse etwas Brot – mehr geht nicht. Im Massenschlag liegt ein einheimischer Taxifahrer, der mir noch seinen iPad anbietet, damit ich mit seiner lokalen SIM-Karte E-Mails checken könne – doch ich habe dafür die Geduld nicht, da das Internet so langsam dreht und ich nur noch schlafen will – und das heisst doch etwas...

Ich messe Fieber und das Thermometer zeigt 39.5 Grad an – hoppla – was ist denn mit mir los? Ich überlege, ob ich Medis einwerfen soll – entscheide mich dagegen, da ich am nächsten Tag wissen will, wie mein Körper mit dem Fieber umgegangen ist über Nacht und zwar ohne Unterstützung von Medis. Ich schlafe in dieser Nacht so gut und tief wie schon seit Ewigkeiten nicht mehr – man hätte mich problemlos ausrauben oder gar wegtragen können... Mein Körper forderte ein, was er brauchte – obwohl er doch viele Ruhetage in Kohrug hatte...

 

22. August 2015 und 23. August 2015 – Weitere Ruhetage...

Ich fühle mich am 22. August 2015 bereits sehr viel besser – noch nicht gut – aber sehr viel besser!! Ich messe Fieber und habe keines mehr. Spannend, wie Fieber kommen und gehen kann – irgendwie aber auch unheimlich... Ich treffe nochmals kurz Claude Marthaler, der mir auch noch Tips zur „Selbstpflege als Alleinreisender“ gibt – DANKE!!

Am 23. August geht es mir dann deutlich besser...

Ich gönne mir zwei Ruhetage in Ishkashim und verlasse das Homestay nur, um den Basar zu besuchen, um mir etwas Obst und Schockolade zu kaufen. Der Basar ist – wie der Ort selber – ein Trauerspiel. Immerhin finde ich Marsriegel. Während es Rob langsam besser geht und wir uns angeregt unterhalten, fühlt sich Beccy zunehmend schlechter – ich sage ja: Sie wechseln sich ab im Kranksein...

Passpartus Vorderrad ist nach wie vor dicht – judihui!!

Rob zeigt mir, wie ich auf meinem MacBook mit iMovie „Filme“ mit meinen Fotos und Videos machen kann. Er arbeitet daheim als professioneller Videomacher für Firmen etc. Das wird dann mal eine Freizeitbeschäftigung für lange Tage in einem Homestay, wo es auch richtig gutes Internet gibt... Oder ich bereite dann mal ein Vorträgli über meine Reise mit iMovie vor? Ich helfe Beccy noch mit Medikamenten aus meiner Apotheke aus, da die Apotheke in Ishkashim quasi leer ist (meine Reiseapotheke ist wohl deutlich besser bestückt...). Vom Besitzer des Homestays in Ishkashim bekomme ich eine Plasticvelopumpe mit auf den Weg – ich hoffe, sie nie gebrauchen zu müssen und teste gar nicht, ob sie geht oder nicht – es wird beim nächsten Plattfuss sein, wie es sein wird – ich übe mich darin, mir nicht zu viele Sorgen und Gedanken über Situationen zu machen, welche eintreten könnten – weil dann eh alles anders ist, als ich es mir zuvor vorgestellt habe...!

 

 

24. August 2015 - Auf geht’s...

Heute fühle ich mich definitiv fit genug, den Weg bis nach Darshai unter die Räder zu nehmen. Passpartu ist auch fit, sein Vorderrad nach wie vor dicht. Mickis Pannenspray hat geholfen. Wunderbar. TAUSEND DANK für die unkomplizierte, spontane Hilfe Du Kamerad der Landstrasse!!

Ich verabschiede mich von Beccy und Rob – vielleicht sehen wir uns auf dem Weg nach Kirgistan ja nochmals – vielleicht auch nicht – der Pamir hält viele Überraschungen bereit...!

Die Fahrt geniesse ich sehr. Es sind keine 50 Kilometer bis nach Darshai und dort gibt es ein Homestay. Somit muss ich nicht campen und kann mich weiter gut erholen – und trotzdem unterwegs sein - optimal. Obwohl ich mich gut fühle, will ich nicht übertreiben – und auch meine Zeit im Wakhan Valley möglichst in die Länge ziehen...

Darshai erreiche ich nach einer wunderbaren Fahrt – denn:

Bereits bei der Ausfahrt aus Ishkashim sehe ich die ersten Gipfel des Hindukush – das ist ein wirklich wichtiger und faszinierender Moment für mich. Magisch!! Ich sehe nicht nur nach Afghanistan rüber – NEIN, ich sehe den Hindukush!! Prächtig, mächtig, majestätisch steht er vor mir mit seinen schneebedeckten Gipfeln und Gletschern – WOW – ATEMLOS! Wer hat schon das grosse Glück, den Hindukush wenigstens aus Distanz zu sehen, wenn ihn zu bereisen eben doch eher schwierig ist? WOW!! Dahinter liegt ja auch Pakistan – eines meiner geheimen Reiseziele. Viele Reisenden auf meiner Route berichten, dass Pakistan in grossen Teilen problemlos zu bereisen sei – doch das will gut vorbereitet sein und hat auf dieser Reise keinen Platz...!

In Darschai komme ich am späteren Nachmittag in guter Verfassung an. Das Homestay befindet sich grad in einer Umbruch- und Umbauphase. Es wird ausgebaut – offenbar läuft das Geschäft hier gut, was ich den Besitzern gönne. In der Baustelle zeigt mir der Opa das „Badezimmer“ (Fotos folgen). Ich kann mich waschen und danach wird mir Tee und Brot serviert, wie das hier üblich ist. Wunderbar. Ich freue mich jeweils sehr über diese Geste, diese Stärkung. Ich höre etwas Musik, döse vor mich hin, als ein weiterer Tourist ins Homestay stürzt, sich schnell als Andrew aus UK  vorstellt und gleich wieder abrauscht, weil er noch eine Wanderung machen will. Beim Nachtessen plaudern Andrew und ich angeregt und stellen fest, dass wir die gleichen Etappen auf unserer Reise durch das Wakhan planen – er als Autostopper, ich als Velofahrer. Wir verabreden uns, am nächsten Abend im gleichen Homestay abzusteigen und den Abend wiederum gemeinsam zu verbringen. Das finde ich eine echt witzige Variante gemeinsam zu reisen – jeder geht tagsüber seinen eigenen Weg – abends gemeinsam Essen, austauschen und plaudern – cool... Und ich bessere mein Englisch täglich auf – und das in echtem British English...!

 

25. August 2015 – Heilige Quelle unterstützt die Fruchtbarkeit...

Heute will ich Yamchun erreichen. Das ist der Ort im Wakhan Valley, wo die Strasse hoch nach Bibi Fatima abzweigt. Bibi Fatima ist eine heisse und heilige Quelle, wo Einheimische – zum Teil reisen sie von weit her an und wohnen in den Hotels bei der Quelle quasi zur Kur -  hingehen, um gesund zu werden oder gesund zu bleiben. Frauen gehen auch hin, um ihre Fruchtbarkeit zu fördern. Auch ich will nach Bibi Fatima. Weil es mich interessiert diesen Ort zu sehen und ich mich darauf freue, mal wieder so richtig von warmem Wasser umgeben zu sein und damit nicht sparsam umgehen zu müssen. Das hatte ich seit Istanbul nicht mehr – also seit Mitte Mai 2015 – lange her... Ja, Wasser – insbesondere Trinkwasser - ist hier eine Kostbarkeit. Damit kann ich mich abfinden – und doch vermisse ich halt den Luxus, den wir in der Schweiz mit unserer Wasserversorgung und unserem Wasserüberfluss haben, schon auch immer mal wieder – wir spülen ja auch unsere Toiletten mit Trinkwasser – davon träumen die Menschen hier wohl nicht einmal...

Yamchun erreiche ich problemlos. Auch heute bin ich von der wundervollen Landschaft einfach nur beeindruckt. Auch wenn ich fünf Kilometer nach meine Abfahrt in Darshai bemerkte, dass ich im Homestay meine Schlappen vergessen habe. Das nervte. Ich überlegte, ob ich zurück soll oder nicht – da die Schlappen aber praktisch und auch wertvoll sind, da ich sie als Strassenschuhe, Badeschuhe oder für den Gang zur Toilette nutzen kann, muss ich sie halt holen und komme so zu 10 Extrakilometern... Wer kein Kopf hat, hat Räder... Materiell sind die Schlappen wertlos – ich habe sie in Tabriz (Iran) auf dem Basar für keine 2 US$ gekauft...

Die Strasse durch das Wakhan Valley ist auch heute sehr abwechslungsreich. Nicht nur was die Landschaft und die Aussicht anbelangt – auch der Zustand der Strasse ist äusserst abwechslungsreich. Mal Asphalt mit und ohne Löcher – mal Löcher mit und ohne Asphalt – dann wieder Abschnitte mit tiefem Sand, in welchem Passpartu „ersäuft“ und ich ihn mühsam schieben und aufpassen muss, dass mir der feine Sand nicht in die Schuhe rinnt – dann Kiesbelag, der mir am liebsten ist, da ich auf diesen Abschnitten am konkretesten weiss und auch rechtzeitig sehe, was ich unter meinen Rädern habe. Schlaglochsurfen nenne ich hier velofahren... Passpartu und ich sind darin wirklich weltmeisterlich unterwegs...! Doch ich sorge mich immer etwas um Passpartus Schwachstellen: Vorderrad und Ösen des Gepäckträgers – alles aber bestens im Schuss...!!

In Yamchun geht die unbefestigte Strasse – einem Bachbett gleich! – steil nach oben. Für mich bergwärts mit Gepäck nicht fahrbar! Schieben mag ich nicht, da ich auf dem Geröll immer wieder ausrutschen würde... Daher entscheide ich mich, einen Transport bis zum hoch über dem Tal gelegenen Homestay zu nehmen. Dieser ist auch schnell gefunden, mein Gepäck schnell eingeladen, Passpartu auf der richtigen Seite liegend aufs Dach geschnallt, der Preis bald mal einigermassen gut ausgehandelt, der Fahrer weiss, dass er hier das einzige Taxi ist... - und ich somit abfahrtbereit, als zwei Einheimische mich fragen, ob sie mitfahren dürften. Kein Problem – ich lade sie ein – sie freuen sich, dass sie kostenlos mitfahren können! Doch dann – tja, der Jeep sieht schon nicht mehr so jugendlich frisch aus und ist es ganz offensichtlich auch nicht, denn: Der Fahrer kann den Motor nicht starten. Also alle Mann aussteigen, Kühlerhaube öffnen, alle Mann mal reinschauen, was los ist, jeder äussert seine Meinung und weiss recht genau, was zu tun ist – nur ich schaue dem Schauspiel nur zu, da ich eh nicht verstehe, was sich unter einer Kühlerhaube eines Autos abspielt... Ich filme lieber mal, was sich rund um das Auto abspielt, welches dann mit der Kurbel doch noch in Gang gesetzt werden kann – das war für mich ein amüsantes Schauspiel. Ich erreiche das Homestay, wo ich mit Tee, Brot und frischer Aprikosenmarmelade begrüsst werde. In der Marmelade sind auch die Kerne aus den Steinen der Aprikose verarbeitet – wie damals im Iran werden auch hier die Steine der Aprikosen aufgeschlagen und der sich darin befindende Stein wird gegessen – oder eben in die Konfitüre verarbeitet. Lecker!!

Dann schwinge ich mich auf Passpartu und fahre die gut 5 Kilometer lange und steile Holpperpiste hoch nach Bibi Fatima. Das Badehaus liegt ganz zuhinterst in einer engen Schlucht, ist an den Felsen „geklebt“ über lange, steile Treppen erreichbar und sehr klein gehalten. Abwechslungsweise baden 30 Minuten die Frauen für sich – und dann 30 Minuten die Männer. Ich komme grad rechtzeitig für die Männerzeit. Es hat nur Einheimische im Pool. Ich bin erstaunt – obwohl ich von anderen Reisenden bereits „vorgewarnt“ wurde – dass hier alle völlig ungezwungen nackt baden und nicht einmal ein Ledentuch tragen, wie das z.B. in einem Hamam sonst üblich ist... Das bin ich mir für ein muslimisches oder gar islamischen Land wie hier schlicht nicht gewohnt. Aber eben: Im Pamir leben Ismailiten – die liberalste Abspaltung der Schiiten und daher auch immer mal wieder unter Druck. In den 1990er Jahren soll hier ein veritabler Bürgerkrieg geherrscht haben, in welchem man die Ismailiten „zur Raison“ habe bringen wollen, was den traditionelleren Gruppierungen aber nicht gelungen ist. Auch Frauen sind hier ein – wie es auf mich wirkt – wirklich ganz normaler Teil der Gesellschaft. Sie verhüllen sich nicht. Zum Teil sind sie traditionell gekleidet – zum Teil sehr modern, stylisch. Es scheint, das könne jede Frau für sich selber entscheiden. Sie tragen das Kopftuch – wenn sie denn eines tragen - eher als Arbeitskleidung, denn als Kopfbedeckung – und dennoch scheint es mir, die Frauen wären fleissiger als die Männer – meistens sehe ich Frauen auf den Feldern, während die Männer ihre Männerrunden abhalten, rumhängen und plaudern – oder hin und wieder etwas tief ins Vodkaglas schauen...

Ich sitze also mit den Einheimischen nackt im heissen, salzigen Wasser und geniesse es, zu planschen. Dass hier Heerscharen von Menschen täglich ungeduscht in den Pool in der kleinen Grotte hüpfen, muss ich bewusst ausblenden – ich tröste mich mit der Tatsache, dass das Wasser salzig/schweflig ist und darin wohl alle bösen Keime sofort absterben und das Wasser darum sauber und für mich und meine Gesundheit ungefährlich ist – zudem hat der Pool einen guten Durchfluss, da recht viel Wasser ab- bzw. nachfliesst – und es ist ein heiliger Ort – also kann mir nichts passieren...!! Ein Ort, an welchem ich alles rund um mich herum einfach nur vergessen kann – WUNDERBAR erholsam!!

Die Einheimsichen suchen sofort den Kontakt zu mir. Einer – er ist aus dem über 200 km entfernten Murgab für einige Tage nach Bibi Fatima gereist - spricht etwas Englisch und übersetzt. Näher kann ich Einheimischen wohl nicht kommen: Verletzlicher als in unserer gemeinsamen Nacktheit, herzlicher, offener, echter können sie einen Touristen auch nicht aufnehmen. Ich geniesse diese Runde sehr, fühle mich sehr gut aufgehoben – ein Teil des Ganzen hier zu sein. Komisch zu beschreiben – aber es war sehr intensiv für mich, in Bibi Fatima zu baden, so vorbehaltlos aufgenommen und aufgehoben zu sein! Auch wenn es mir bald zu heiss wird – das Badehaus ist kaum belüftet und es herrscht ein deutlich heisseres Klima als in einem Dampfbad in einem SPA in Europa - bleibt dieses Bad, dieses so offene, verletzliche Gemeinsame mit den Einheimischen eines meiner eindrücklichsten Erlebnisse meiner bisherigen Reise...!!

Auf meinem Rückweg begegne ich Andrew, der nach Bibi Fatima hoch spaziert. Er hat es per Autostopp also auch geschafft.

Beim anschliessenden Nachtessen im Homestay berichtet mir Andrew ebenfalls, dass das Bad für ihn sehr eindrücklich gewesen sei, da auch er von den Einheimischen völlig unkompliziert aufgenommen wurde, sich sehr aufgehoben fühlte. Wir beschliessen, am nächsten Morgen früh um 06.00 Uhr in Richtung Bibi Fatima zu spazieren und dort das Morgenbad zu nehmen und auf dem Weg dahin noch das Tal im Sonnenaufgang zu geniessen.

 

26. August 2015 – Frühes Bad – Ende des Wakhan Valleys...

Andrew und ich spazieren nach 06.00 Uhr ab, geniessen den Sonnenaufgang hoch über dem Wakhan Valley und kommen grad rechtzeitig zur Männerbadezeit in Bibi Fatima an – es hat wenig Leute und so können wir in Ruhe in den Tag starten – wiederum herzlich und vorbehaltlos willkommen geheissen von den Einheimischen – jungen und sehr alten Männern – wiederum intensiv!

Der Spaziergang zurück fördert unseren Appetit auf ein gutes Frühtück, welches wir im Homestay auch bekommen. Später sattle ich Passpartu, Andrew macht sich auf den Weg zu Fuss zur Strasse runter – ein Fussmarsch von immerhin einer Stunde - und hofft auf einen Transport in Richtung Langar, welches unser heutiges Tagesziel ist. Kurz hinter Yanchum beobachte ich einen Hirten, der seine Kashmirziegen am Flusslauf weiden lässt. Er winkt mich zu sich hin – freudig folge ich dieser Einladung. Er möchte wissen, woher ich komme und wir „plaudern“ mit Händen und Füssen. Er packt aus seinem Rucksack eine Tüte Aprikosen aus und offeriert mir dazu aus einer alten PET-Flasche kalten Kaffee, den ich aus einer noch älteren Nescafédose trinken soll. Von den Aprikosen nehme ich gerne – den Kaffee muss ich bei aller Freundschaft ausschlagen... Ich zeige ihm die Postkarte meiner Heimatstadt Bern und ein Foto meiner Familie – er freut sich sichtlich darüber. Die Steine der Aprikosen muss ich ihm geben – er wird sie aufschlagen und den Kern essen! Eine wunderbare Begegnung, die ich wiederum sehr geniesse. Zum Abschied will er mir unbedingt die ganze Tüte mit Aprikosen mitgeben, das schlage ich aus – nehme aber gerne eine Hand voll mit – damit kann er sich abfinden. Auch ihm ist wichtig, dass es mir auf meiner Reise gut geht – obwohl wir uns nur dürftig unterhalten konnten und uns keine halbe Stunde kennen...! Eigentlich komisch, dass ein Tal und seine Menschen so friedlich wirken – und es „hinter den Kulissen“ immer mal wieder brodeln soll... Ich erreiche Langar ohne Probleme – und bin etwas traurig, dass meine Reise durch das Wakhan Valley nun schon fertig sein soll – und bin gleichzeitig unsicher, ob ich den Khargush Pass nach Alichur hoch fahren soll oder nicht. Ich bräuchte dafür 2- 3 Tage und ich weiss von der Frau im PECTA-Office in Khorug, dass es da tatsächlich nicht viel oder gar nichts geben soll – von diesem Nichts dafür ganz unendlich viel... Einzig Hirten soll es zeitweise in diesem Gebiet haben. Ich habe Zeit zum Überlegen und mache meinen Entscheid auch von der Verfügbarkeit eines Tranpsorts nach Bulukul zu einem vernüftigen Preis abhängig. Man hört auch da so Sachen über extrem überteuerte Preise... Ich hadere mit einem vernünftigen Entscheid und der Angst, Zeit meines Lebens zu bereuen, den Khargush Pass nicht gefahren zu haben...

In Langar finde ich das Homestay, in welchem Andrew und ich absteigen wollen, sofort. Es hat sogar eine Solaranlage für Warmwasser – was mich sehr freut. Die erste Anlage dieser Art, die ich in diesem sonnigen Tal entdecke! Ich kann mich mit äusserst bescheidenem Wasserdruck duschen und meine Kleider waschen, die es offensichtlich dringend nötig haben, wie mir das schwarze (!) Wasser nach der Vorwäsche bestätigt (Velokleider). Andrew ist schon vor mir eingetroffen. Er hatte Glück mit dem Transport und hat unterwegs auch Heriette getroffen, die ich schon in Khorug getroffen habe. Eine Autostopperin aus Deutschland, einige Jahre älter als ich (macht mir Mut für meine Zukunft...). Sie haben mich auf ihrem Weg nach Langar auf der Strasse überholt und anghalten, um mich zu grüssen – das war lustig. Die Welt ist eben wirklich klein im Wakhan! Reisende treffen sich immer wieder, tauschen Informationen aus (die es jeweils sehr sorgfältig durch den eignen „Filter“ zu prüfen gilt), plaudern, teilen sich zusammen Transporte oder Zimmer etc. ...

Vor dem Abendessen gehen Andrew und ich mal zur Hauptstrasse und schauen, ob bzw. was sich betr. Transport nach Bulukul für mich und weiter in Richtung Murgab für ihn anbietet. Ein Jeep hält an und offeriert uns den Weg nach Murgab (das liegt hinter Alichur und ist die meist angefahrene Ortschaft der Jeeps aus dem Wakhan Valley) für 150 Somoni pro Person. Das ist erstaunlich günstig, zumal wir am gleichen Abend schon Offerten für 200 Dollar für ein ganzes Auto bekommen haben. Die beiden Fahrer versichern mir, dass Passpartu heil ankomme und ich für ihn nicht zusätzlich zu bezahlen habe. Also vereinbaren wir: Abfahrt morgen Früh um 09.00 Uhr. Somit ist auch entschieden, dass ich den Khargush Pass nicht mit dem Velo fahren werde. Das war mir einfach wirklich nicht geheuer, diesen Pass alleine zu fahren und dabei erstmals – auf schlechten Strassen – alleine auf die Höhe von über 4000 MüM zu kommen und auf dieser Höhe auch übernachten zu müsen. Ich habe keine Ahnung, wie ich auf solche Höhen reagiere. Die Vernunft hat gesiegt – und die Bequemlichkeit ist ihr dankbar – emotional empfinde ich gegenüber dieser Entscheidung aber dennoch sehr ambivalent... Jeder Entscheid bedeutet halt auch Verzicht... Bezahlen muss ich die Fahrt bis nach Murgab, auch wenn ich viel früher aussteige – das sei schliesslich meine Entscheidung meinen die Fahrer... Geschäftsmänner...! Gut so!!

Unser Taxi ist übrigens so günstig, weil die Fahrer Touristen aus Murgab ins Wakhan Valley gebracht haben und nun eine leere Rückfahrt haben, die sie sich aber von den Touristen sicher bereits haben bezahlen lassen – man muss immer Hin- und Rückfahrt bezahlen, wenn man ein Auto für sich alleine mietet... Somit verdienen sie doppelt – wenn nicht dreifach... Tja, gute Geschäftsleute sind gute Geschäftsleute – und das ist auch hier doch absolut richtig und wichtig. So oder so sind wir in einer Win-Win-Situation – und das kann mir doch nur recht sein! Später soll ich erfahren, dass es auch Transporte für 70 Dollar gegeben hat – aber in Jeeps mit gefüllten Notsitzen. Wir hatten richtige Sitze – alles hat seinen Preis...

 

27. August 2015 -   Aussteigen oder drin bleiben...?

Das Taxi ist überpünktlich. Schnell ist Passpartu aufgeladen und mit zwei Gepäcktaschen sorgfältig gepolstert auf dem Dach festgezurrt. Kaum sind wir einige Meter gefahren realisiere ich, dass in der einen Gepäcktasche, mit der Passpartu gepolstert wird, mein MacBook verpackt ist. So doof – eine sensiblere Tasche habe ich nicht und die dient nun auf der Schotterpiste als Polster – ich bin so was von doof, diese Tasche als Polstertasche gewählt zu haben...!! Ich schlage Alarm, der Fahrer versteht und ohne Probleme wird die Packtasche innert Minuten ausgewechselt. So ein Glück, habe ich das rechtzeitig realisiert und hat der Fahrer so geduldig reagiert – das MacBook hat die kurze Holpperfahrt unbeschädigt überstanden...

Gleich beim Einstieg in die Passstrasse hoch zum Khargush Pass zeigt sich mir, dass mein Entscheid richtig war. Die Strasse geht quasi „senkrecht“ in Schotter und Sand von der Hauptstrasse weg. Ich hätte Passpartu also bereits hier schieben müssen. Die Strasse bleibt steil über lange Strecken und erst in den oberen Teilen kommen immer wieder auch mit dem Velo gut befahrbare Abschnitte, gefolgt von tiefem Sand. Wir überholen zwei Velofahrer, die ich schon in Dushanbe und im Wakhan getroffen haben. Cool, die beiden Jungs fahren den Pass gemeinsam – sehen dabei aber sehr angestrengt und nicht nur glücklich aus... Ich für meinen Teil kann mit gutem Gewissen und mit Worten meines Freundes Osch sagen: Ich habe für mich alles richtig gemacht – auch wenn es mich auf den schönen Abschnitten der unbefestigten Passstrasse immer mal wider juckt und ich mir überlege dem Fahrer zu sagen, er soll mich ausladen, ich würde den Rest selber fahren... Ambivalent bis zum Schluss...

Unterwegs machen wir Halt bei einer Hirtenfamilie fast auf der Passhöhe. Sie leben äusserst bescheiden und ich hoffe, das sei nur das Sommerquartier... Es wird uns Brot und salziger Buttertee serviert, an welchen ich mich einfach nie werde gewöhnen können... Es gibt also doch den einen oder andern Ort über diesen Pass, wo ich mich hätte verpflegen können. Die Ambivalenz...

Mein Plan war, dass ich mich mit dem Taxi über den Pass bis zur Abzweigung nach Bulukul bringen lasse. Doch als wir die M41 – den eigentlichen Pamir Highway – auf der anderen Passseite erreichen, zeigt sich der Pamir von seiner wenig freundlichen Seite. Es schneit, hagelt, regnet und stürmt gleichzeitig. Hoppla – auch das ist eine Realität. Bisher habe ich immer Hitze und Wärme erlebt – und mich nach kühleren Tagen gesehnt - und nun so etwas...

Ich sage dem Fahrer, er soll mich nach Alichur ins Hotel bringen, so will ich nicht nach Bulukul fahren auf der schlechten Strasse, die dorthin führt. In Alichur werde ich beim Hotel ausgeladen. Es gleicht eher einer Berghütte. Kein fliessendes Wasser – keine Heizung. Kein Strom. Kalt. Feucht. Das Hotel besteht aus zwei Räumen: Einer Gaststube und einem Massenschlag. Doch ich brauche nicht mehr, bekomme Mittagessen und will die Fahrer auch dazu einladen – was aber unmöglich ist. Sie haben bezahlt, bevor sie gegessen haben. Es gibt die übliche Fleischsuppe mit Kartoffeln und Karotten. Wärmt und schmeckt lecker! Was will ich mehr? Dazu viel Tee – der wärmt auch. Für die rund 130 km lange Fahrt von Langar nach Alichur hat das Taxi übrigens etwas über fünf Stunden gebraucht... Und es war ein sehr geübter Fahrer in einem 4x4 Jeep in bestem Zustand...!! Das zeigt mir, dass der Pass mit Velo zu überqueren eine wirkliche harte Leistung ist und es gut war, dass ich nicht alleine in dieses Abenteuer gestartet bin – so unerfahren, wie ich mit hohen Höhen nun mal bin!

Es erreichen zwei grosse Campingmobile das Hotel. Zwei Paare aus Deutschland reisen mit diesen edlen Mobilen durch die Weltgeschichte. Sie haben alles dabei inkl. einem eindrücklichen Cockpit mit Navigationsgeräten-, Computer etc. – und Felix dem Plüschhasen. Ich beneide sie grad, das sie in einem geheizten Mobil endlos unterwegs sind und überlege mir, wie ich wohl bei diesem Wetter vorwärts kommen könnte... Mit einem Paar plaudere ich einen Moment beim Mittagessen und sie empfehlen mir, hinter Bulukul den Geysir zu besuchen – es habe da auch noch einen Hotspring in der Nähe...!

Am späteren Nachmittag erreicht ein Autostopper aus der Westschweiz das Hotel. Wir plaudern viel. Er ist auf dem Weg von Peking heimwärts in die Westschweiz. Auch ein cooles Projekt! Wir sind die beiden einzigen Gäste, gehen gemeinsam zum Nachtessen. So ist ein kurzweiliger und schöner Tag vorüber – und ich habe meine Taschen umgepackt: Winterkleider nach oben – Sommerkleider tief nach unten... Nun weiss ich auch, warum ich meine Winterjacke und die dicken -handschuhe seit April 2015 mitschleppe: Damit ich sie im August 2015 anziehen kann...!! Ist doch logisch...!!

 

28. August 2015 – Atemlos durch die Nacht...

Auch wenn ich Helene Fischer nicht wirklich mag, muss ich diese Nacht öfters an sie denken – vielleicht rauben mir diese Gedanken den Schlaf?! NEIN: Ich verbringe die erste Nacht auf der Höhe von rund 4000 MüM und mache kaum ein Auge zu. Immer wenn mich in den Schlaf kippen will, überkommt mich eine Atemnot, als ob mich jemand unter Wasser drücken wollte. Ich habe davon gehört – ging aber davon aus, dass mich dieses Phänomen selbstverständlich nicht treffen werde. Irrtum sprach der Igel... Ich kämpfe mich also atemlos durch die Nacht, so wie die Fischer das auch singt...

Die Nacht wird entsprechend lange und mühsam. Da ich tagsüber (zu) viel Tee getrunken habe, muss ich nachts auch immer mal wieder raus – im wahrsten Sinne des Wortes. Die Toiletten sind nämlich openair – also wirklich ohne Dach!! - vor dem Haus – BRRRR – jeder Gang zur Toilette wird so zu einer Art Tortur – einzig entschädigt der in der Zwischenzeit wunderbar klare Sternenhimmel mit Vollmond – ein wirklich schönes Bild, einen so tollen Sternenhimmel zu sehen, ganz ohne künstliches Licht in dieser eindrücklichen Bergwelt – so etwas habe ich in dieser Schönheit wirklich noch gar nie gesehen!! Da lohnt es sich unbedingt, mal zum Openair-Klo zu springen... Ich bedaure, dass ich die Sternbilder nicht kenne – hier könnte ich sicher ganz viele davon sehen – so geniesse ich halt einfach so, dass die Toilette kein Dach hat... Beim nächsten Gang zur Toilette nehme ich sogar den Fotoapparat mit, um den Himmel zu fotografieren – doch das Licht war zu schwach... Schade...!

Ich muss mir eingestehen, dass ich mich eben auch akklimatisieren muss, wie andere Menschen auch auf dieser Höhe. Somit entscheide ich, noch eine Nacht zu bleiben, bevor ich mich aufs Velo nach Bulukul schwinge. Vorsorglich erkundige ich mich mal, was ein Transport nach Bulukul kosten würde – ich könnte mich ja auch da akklimatisieren. Doch der Preis von 100 Somoni scheint mir überteuert – für nur 50 Somoni mehr, bin ich den ganzen Weg von Langar hoch nach Alichur befördert worden. Der Fahrer meint, das Benzin in Alichur sei halt so teuer, da es auf diese Höhe gebracht werden müsse und ich hätte ja nur einen Platz von Langar nach Alichur im Auto bezahlt und nicht ein ganzes Auto gemietet, wie ich das nun im Sinn hätte – diese Logik hat wohl was für sich... Sage ihm dennoch, sein Preis sei mir zu teuer. Er könne sich überlegen, zu welchem realistischen Preis er mich in den nächsten Tagen über die Strecke von ca. 35 Km transportieren wolle. Ich mache einen Spaziergang durch Alichur – es gibt nicht wirklich viel zu sehen – und doch hat das kleine „Dorf“ seinen Reiz. Es kommt mir vor, wie eine vergessene Walfängerstation irgendwo weit ab von der Realität und der Zivilisation – also, so stelle ich mir eben eine solche Walfängerstation vor. Gesehen habe ich ja real noch keine! Weit ab von der Zivilisation fühle ich mich auch, weil es hier oben im Hotel keinen Strom gibt, mit welchem ich mein Handy laden könnte. Die mir zur Verfügung gestellte Einrichtung mit Autobatterie funktioniert nicht, da mein Handy nicht zu den fix montierten Ladesteckern passt. Da sorgt aber das Solarpanel, welches mir meine Schwester aus einem US-Supermarkt mitgebracht hat, wunderbar für Abhilfe. Danke Schwesterherz – so bleibe ich mit der Heimat verbunden...!!

Am Nachmittag treffen Holger und Katharina – zwei Velofahrer – im Hotel ein, essen eine Suppe und fahren dann weiter. Holger habe ich bereits in Esfahan im Iran getroffen – die Welt der Radfahrer ist klein... Später kommt ein Jeep an im Hotel – und Heriette, die Autostopperin aus Deutschand, die ich schon zusammen mit Andrew im Wakhan Valley und zuvor in Khorug getroffen habe, steigt auch im Hotel ab. Wir sind die beiden einzigen Gäste, plaudern zusammen und sie informiert mich, dass sie sich einen Driver/Guide mieten wolle, der sie zu den seltenen Marco Polo Schafen führen soll, die sie unbedingt sehen wolle. Sie fragt mich, ob ich mitkommen möchte. Die Schafe interessieren mich aber nicht wirklich – und doch bin ich interessiert, was der Driver/Guide hier oben so zu bieten hat. Heriette erreicht den Guide nicht – es spricht sich in Alichur aber herum, dass eine Touristin den Guide engagieren möchte und am Abend beim gemeinsamen Nachtessen ruft der Guide auf das Handy eines Einheimischen an, der sich zufällig in der Gaststube des Hotels befindet. So funktioniert die stille Post in Alichur. Heriette vereinbart mit dem Guide, dass er am nächsten Morgen um 07.00 Uhr ins Hotel komme, damit wir gemeinsam mit ihm planen können. Das heisst also: Tagwach um 06.45 Uhr – uff, das ist früh...

 

29. August 2015 – Zeit zu haben ist ein Luxus, den zu leisten mir nicht immer leicht fällt...

Die Nacht verbringe ich etwas besser – aber noch immer nicht gut. Heriette hat mir Aspirin gegeben – das soll helfen – ich versuche es lieber mal ohne... Ich schaffe es trotzdem, mich zur frühen Stunde zum Frühstück zu begeben, wo wir vergebens auf den Guide warte. Dieser kommt erst gegen 09.00 Uhr – ich hätte also gute zwei Stunden länger in meinem kuscheligen Schlafsack bleiben können. Zeit zu haben...

Der Guide – er stellt sich als Machan vor – unterbreitet uns folgendes Programm: Heute Rundfahrt zu den grossen Seen inkl. Geysir, Mineralquelle, Hotspring zum baden, Mittagessen in Bulukul und am Abend Übernachtung in einer Yurte. Morgen Fahrt zu den Marco Polo Schafen. Machan hat – wie wir am Abend erfahren - früher offenbar seltene Tiere wie Schneeleopard etc. gejagt und sich sein Geld so verdient – heute arbeitet er im Tourismus und wird durch die Aga Khan Stiftung darin unterstützt. Eine wirklich gute Sache. Ich frage den Guide, ob er in seinem Auto Platz für Passpartu und meinen mobilen Haushalt habe und mich in Bulukul aussetzen könnte, wen ich da übernachten möchte. Er bestätigt. Somit habe ich meinen Besuch in Bulukul auf sicher und freue mich sehr darüber. Warum ich diesen Ort besuchen will, weiss ich nicht. Ich weiss nur, dass ich ihn sehen will. Vielleicht, weil es der kälteste Ort Tajikistans sein soll?? Das reicht doch, um dahin zu fahren! Oder?

Mit Heriette vereinbare ich, dass wir uns die Kosten des ersten Tages teilen – sie den zweiten Tag aber ohne mich verbringen müsse, da ich dann endlich auf’s Velo will. Das ist für sie OK!

Um 10 Uhr fahren wir also ab. Passpartu findet im Auto Platz – ebenso mein Gepäck. Wir werden zum Geysir, der Minealquelle und einem Hotspring gefahren, wo Heriette und ich baden können. Der Guide lässt uns alle Zeit der Welt. Das ist sehr schön. Wir baden also im Hotspring, der seinen Namen ernsthaft verdient – das Wasser kommt so heiss aus der Erde dass wir im improvisiert – aber liebevoll! – überdachten Teil des Hotsprings nur kurz baden und uns dann in den kühleren Tümpel ausserhalb der Überdachung „flüchten“. Wow – das tut gut! Nach den kühlen Tagen hier oben im unbeheizten Hotel im heissen/warmen Wasser baden, mich richtig aufwärmen zu können. Wunderbar. Und es hat auch hier so viel Wasser, dass wir darin planschen können, wie wir wollen.

Weiter geht die Fahrt dann entlang der grossen Seen Sanyk Kul, Yashil Kul, Bulun Kul und zum Salzsee. Die Landschaft ist nicht nur wegen der dünnen Luft atemberaubend schön. Nein! Die wüstenähnliche Landschaft und dann diese tiefblauen Seen und im Hintergrund die schneebedeckten hohen Berge – das nimmt mir einfach den Atem! Und dann diese S T I L L E  - nichts zu hören, ausser das Rauschen des eigenen Blutes in den Ohren und der Wind, der heute fast liebevoll, ja zärtlich sanft diese wunderzauberhaft schöne, wilde, rauhe und zeitglich liebliche Landschaft streichelt. Zum Bade laden die Seen nicht – sie sind zu  kalt – oder ich zu schwach...

Zum Mittagessen werden wir in Bulukul in einem netten Homestay erwartet und mit gebratenen Teigwaren bewirtet. Teigwaren hatte ich in den letzten Wochen oder Monaten nie mehr gegessen, ausser ich habe mir selber Instantnudeln gekocht, was ich nur selten tat. Wunderbar lecker, dieses Menu. Dazu wird uns Yoghurt vom Yak serviert und ganz frische Butter und ebenso frisches Brot – und Aprikosenmarmelade. Herrlich!!

Etwas irritiert sind Heriette und ich, dass im Raum, in welchem wir essen, Fleisch offen auf dem Fussboden auf einer Zeitung liegt und vor sich hin trocknet – hm... OK Fliegen gibt es hier oben keine – es ist ihnen wohl zu kalt... – aber für Westler halt doch ein eher ungewohnter Anblick – und für CH-Lebensmittelinspektoren wohl der ultimative Supergau - hihihi...

Bulukul als Ort gefällt mir nicht wirklich. Einerseits strahlt er eine Endzeitstimmung auf mich aus. Viele Häuser sind in einem erstaunlich schlechten Zustand oder bereits verfallen, Autowracks. Andererseits sind Häuser im Neubau bzw. stehen auch einige schöne Neubauten im Dorf – es herrscht so eine Art Endzeit- oder positiv ausgedrückt Umbruchstimmung. Ich entscheide mich sofort, nicht hier zu übernachten. Vielmehr will ich meine erste Nacht in einer Yurte verbringen und schliesse mich dazu Heriette an, welche am Ende des Ausflugs ja in eine Yurte unterhalb Alichurs gebracht wird. Ich freue mich sehr, auf meine erste Nacht in einer Yurte!!

So habe ich einen wirklich wundervollen Tag verbracht mit dem Ausflug – und habe mich entschieden, aus diesem tollen Tag einen „Fred-Tag“ zu machen! Danke für Deinen Support, lieber Freund! Dabei muss ich schmunzeln: Denn in meiner Seelenbox führe ich ein sehr persönliches Abschiedsgeschenk und Glücksbringer von Fred mit, welches den Zöllner in Usbekistan noch viel mehr hätte aus der Fassung bringen können, als Frau Bergs lange Beine auf der Mutmacherkarte meines Freundes Osch... Diese Seelenbox – ja sie ist wirklich was Gutes. Danke liebes Nepalthesi für diese so wertvolle Inspiration. Bisher habe ich noch nie aus wirklicher Not darin gekramt – vielmehr um mich einfach mal wieder an all den Dingen zu erfreuen, welche mir meine Liebsten mitgegeben haben!

Bei der Yurte angekommen werden wir mit Tee, Brot und ganz frischer Yakbutter -sie schwimmt noch etwas im Rahm - und Aprikosenmarmelade begrüsst. Wunderbar, herrlich, lecker – das sind wahre Luxus-Momente!! Der Ofen in der Yurte wird mit Yakdung eingeheizt und ich staune, wie schnell sich eine wohlige Wärme verbreitet – auch das ein Luxus-Moment! Heriette und ich schlagen uns den Bauch mit dem frischen Brot voll – und informieren den Gastgeber, dass wir kein Abendessen mehr bräuchten. Der Gastgeber kann das nicht verstehen und ist erst zufrieden, als wir einwilligen, dennoch eine Miniportion des Nachtessens zu kosten, welches eben zubereitet werde. Es gibt Bratkartoffeln, die zusammen mit dem Brot sehr lecker schmecken. Ich esse auf meiner ganzen Reise immer sehr gut, wenn ich eingeladen bin oder das Restaurant besuche. Meist eine ganz einfache Küche – aber immer lecker zubereitet. Machan kommt mit einem Laptop zurück und zeigt uns einen Beitrag aus dem ZDF, wo ein Deutscher porträtiert wird, der im Pamir im Auftrag der Aga Khan Stiftung als Tourismusberater tätig ist. Machan ist absolut zu recht stolz darauf, dass er in diesem Beitrag auch vorkommt und explizit erwähnt wird!!

Wir gehen bald zu Bett, denn am nächsten Morgen soll es schon wieder ein frühes Frühstück geben.

 

30. August 2015 – Mit Passpartu auf dem Pamir unterwegs – Emotion pur!!

Die Nacht ist kühl. Die Betten bestehen auch in der Yurte aus Matten, welche übereinander auf den Boden gelegt werden. Dazu gibt es sehr schwere Bettdecken. Die Bezüge der Decken etc. fühlen sich so an, als ob sie schon länger ungewaschen verwendet würden. Und es ist tatsächlich so: Die Betten werden den Gästen bezogen zur Verfügung gestellt – und ebenso bezogen wieder weggeräumt, damit die nächsten Gäste in den gleichen Bettbezügen schlafen können. Das ist in jedem Homestay so, das ich besucht habe – das war im Hotel in Alichur so – und das wird so bleiben, wie ich die nächsten Tage feststellen kann – es war ja bereits in Usbekistan so... Effizient – aber für unsere Begriffe halt unhygienisch. Ich habe mich jedoch längst daran gewöhnt... Je nach je kuschle ich mich aber auf den Matten dann doch lieber in meinen Schlafsack und schlafe in meinem „eigenen Dreck“. Von Flöhen, Läusen oder Bettwanzen blieb ich bisher verschont – die mögen mich offenbar nicht, was ich sehr zu schätzen weiss...!!!

Nach der kühlen Nacht ist es natürlich wunderbar, dass der Gastgeber gute 1.5 Stunden bevor wir aufstehen müssen, den Ofen in der Yurte einheizen kommt – so können wir uns in kuschliger Wärme aus unseren Decken pellen und uns anziehen. Ich bin recht aufgeregt, denn heute beginnt meine Reise mit Passpartu über die M41, den eigentlichen Pamir Highway - Judihui! Ich habe mich entschieden, meine ursprüngliche Etappenplanung ab Blulukul einzuhalten, auch wenn ich nun eben etwas weiter unten starte. Ich könnte heute wohl problemlos direkt Murgab erreichen – aber das geht mir zu schnell. So werde ich nur bis Mamadzohir fahren und dort in der Yurte übernachten, welche als Homestay dient und erst übermorgen nach Murgab radeln. Ich habe bisher sehr gute Erfahrungen gemacht, mich an meine ursprüngliche Etappenplanung zu halten, auch wenn diese Änderungen erfahren hat – ja, das ist ein Widerspruch in sich – halt schwierig zu erklären, wie ich mich so durch meine Tage treiben lasse – einerseits ohne jegliche Struktur und gleichzeitig halt doch strukturiert – unstrukturiert strukturiert – so ganz anders als im Berufsalltag...

Ich starte kurz nach 09.00 Uhr nach einem feinen Frühstück in der Yurte und nachdem ich mich von Heriette verabschiedet habe, die nun zu den Marco Polo Schafen aufbrechen wird. Die Fahrt über die weite Ebene hin zur M41 und dann entlang des eigentlichen Pamir Highways ist GEWALTIG – Emotionen überkommen mich. Ich muss mal wieder ein Video drehen. Passpartu und ich auf dem Pamir unterwegs – einfach unglaublich. Ich geniesse die knappen 60 Kilometer bis zum Homestay in der Yurte von Mamadzohir – ich bin meist ganz alleine unterwegs auf der M41 in dieser endlosen Weite, dieser absolut stillen Gegend – vor und hinter mir ist nichts auszumachen – kaum ein Dorf, kaum ein Haus – einfach nichts – das ist absolut faszinierend!!

In der Yurte, wo ich bereits kurz nach 14 Uhr ankomme und nicht so recht weiss, wie ich die Zeit bis zum Abend rumbringen soll – ja, das ist auch so eine Sache, die ich lernen musste: Zeit mit nichts zu füllen, sich zu beschäftigen ohne Internet, ohne Handyempfang ohne mit jemandem ein vernünftiges Gespräch führen zu können... – werde ich liebevoll begrüsst: Wie ich bei der Yurte ankomme, werde ich von der Grossmutter herzlich begrüsst, die die jüngste Enkeltochter auf den Knien hütet. Die Enkeltochter streckt mir auch gleich die rechte Hand, was ich für das kleine Mädchen doch recht erstaunlich finde – und strahlt mich an. Später erfahre ich, dass die jüngste Tochter der Familie 18 Monate alt sei, wenn ich das richtig verstanden habe. Die Mutter der Familie erscheint und bekocht mich sogleich mit Griesbrei – wundervoll – Kindheitserinnerungen.... Dazu wird mir das obligate Brot und der Tee sowie Butter und Aprikosenmarmelade gereicht. Ich geniesse dieses Begrüssungsmahl – es ist immer wieder wunderbar, so begrüsst zu werden, auch wenn ich es schon so oft erlebt habe. Die drei anderen Kinder der Familie kommen auch vorbei, um den Mister Tourist zu beäugen. Mir fällt auf, wie behände sie mit dem Ofen, dem Geschirr und all den anderen mir so fremden Dingen in de Yurte umgehen – erstaunlich flink und praktisch veranlagt, finde ich. Katharina und Holger, die hier für eine Rast abgestiegen sind, werden diesen Eindruck mit mir später in Kara Kul teilen.

Wenig später erscheint ein anderer Radfahrer. Ein junger Deutscher, der auf dem Heimweg aus China ist – also meine Gegenrichtung fährt. Er will in der Yurte mindestens kurz halt machen und sich verpflegen. Wir plaudern – er hat in China studiert und auch ein Praktikum absolviert – und das in seinem jungen Alter. Wow – da liegt eine interessante Zukunft vor diesem jungen Mann! Er entscheidet sich schliesslich, ebenfalls in der Yurte zu übernachten und so geht unsere Plauderei weiter. Spannend, schön, interessant!

Die Yurte ist schön beheizt, so dass wir es gemütlich haben, wie wir am Boden sitzen und Brot, Butter und Marmelade sowie Tee geniessen und der Mutter der Gastgeberfamilie dabei zuschauen können, wie sie Teig macht und diesen zu ganz dünnen, runden Fladen ausrollt mit einem Durchmesser von fast 2 Meter. Das macht sie alles ganz flink am Boden und auf einem schmalen, breiten Holzbrett und einem grossen Tuch oder Rückseite eines Fells. Faszinierend. Über die Fladen giesst sie flüssige Butter und belegt die Fladen mit geschnittenen Zwiebeln, bevor die Fladen dann zu „Rouladen“ gerollt und in das Kochgeschirr für Manty gelegt werden – also in Gitter, durch welche später der Wasserdampf zirkulieren und die Rouladen garen wird. Es gibt also „Zwiebelstrudel“ zum Nachtessen. Das hatte ich noch nie in meinem Leben – muss Euch aber sagen: Es schmeckte lecker. Sehr lecker. Und es hat die Verdauung in gesundem Masse angeregt – und auch am nächsten Tag im Gegenwind für „Antrieb“ gesorgt...

 

31. August 2015 – Methadon zum Frühstück...

Auch diese Nacht war kühl. Doch auch heute Morgen ist die Oma der Familie erschienen, um den Ofen in der Yurte rechtzeitig einzuheizen, so dass wir „gewärmt“ aufstehen und das Frühstück geniessen konnten. Lukas, zwischenzeitlich haben der junge Deutsche und ich auch unsere Namen ausgetauscht,  fragt mich, wie ich zu Kaffee stehe würde. Ich sage ihm lachend, eigentlich wäre ich davon abhängig, doch hier auf dem Pamir sei der so schwer zu bekommen. Er lacht und meint, dann hätte er so etwas wie Methadon für mich dabei: Er zaubert ein Glas Jacobs Monarch Instantcafé aus Kirgistan aus seinem Gepäck. WUNDERBAR!! Kein „richtiger“ Kaffee aber doch sehr lecker und etwas wertvolles hier oben – und eben ein richtiger Ersatz für den richtigen Kaffee...

Nachdem wir beiden Radfahrer unserer Räder beladen hatten, verabschiedeten wir uns von einander. Lukas fährt nach links, bergauf in Richtung Alichur – Europa - Heimat. Ich fahre nach rechts, bergab in Richtung Murgab – China – Singapur - Fremde. So trennen sich Wege von zwei Radfahrern.

Danke für die kurze, gute gemeinsame Zeit, lieber Lukas! Bleib Deinen Träumen immer treu und komm gut nach Hause – allzeit gute Fahrt und herzlich alles Gute!!

Ich erreiche Murgab problemlos. Es geht zwar über einen Pass von 4137 MüM – den nehme ich aber gar nicht wirklich wahr, weil ich schon so hoch gestartet bin, dass der Pass zum „Pässchen“ wird. Gäbig!

Murgab wirkt auf mich als ein „schrecklicher Ort“. Keine Seele. Ich glaube viele junge Männer zu sehen, die „rumhängen“. „No-Future-Stimmung“ herrscht hier auf mich. Ich entscheide trotzdem hier zu übernachten, wie ich das immer geplant hatte – und im Pamir Hotel relativ teuer abzusteigen, da es hier eine Dusche geben soll mit warmem Wasser – das hat mir der Autostopper aus der Westschweiz in Alichur erzählt. Die warme Dusche ist halt ein Ort, wo ich mich alle paar Tage mal aufwärmen kann – ein Wohlstandsbedürfnis?! Teuer ist das Hotel. Eine Dusche gibt es auch. Aber das Wasser fliesst nur eiskalt oder kalt aus der lädierten Mischbatterie... Mist! So dusche ich halt kalt – besser als eiskalt... Anschliessend gehe ich zum Basar, wo ich mir eine Daten-SIM-Karte kaufen möchte, um ins Internet zu kommen. Denn: Das Internetcaé hier in Murgab ist geschlossen, weil das Internet nicht laufe. Mist – ich habe mich darauf gefreut, wenigstens meine Mails zu checken. Auf dem Basar bekomme ich keine Daten-Karte. Dafür sehe ich den „berühmten“ Basar von Murgab. Die Marktstände oder Verkaufsgeschäfte sind in Schiffscontainern untergebracht. Alles wirkt eher „komisch“, da Schiffscontainer hier in dieser Umgebung so rein gar nichts verloren haben und eben doch da stehen... Fast wie ein Kunstwerk, zu welchem ich den Zugang nicht wirklich finde und es mich dennoch fasziniert...

Als ich zum Hotel zurück radle sehe ich einen Radfahrer und steuere ihn an. Es ist Emil, den ich aus Dushanbe und Khorug kenne – wir wollten ja mal zusammen das Wakhan Valley fahren. Lustig, die Welt auf dem Pamir ist wirklich klein, das bestätigt sich immer wieder... Emil überlegt, ob er in Murgab übernachten oder gleich weiterfahren soll. Schlussendlich entscheidet er sich ebenfalls im Pamir Hotel zu übernachten – in der günstigeren Zimmerkategorie als ich – dafür mit warmem Wasser in der Gemeinschaftsdusche. Bingo! So ungerecht kann das Leben als Radreisender sein – hihi...

Beim Abendessen unterhalten wir uns mit zwei Schweizern, welche aus Osh mit einem Mietwagen unterwegs sind. Lustig, hier zwei Aargauer zu treffen...

Emil und ich entscheiden, am nächsten Morgen gemeinsam in Richtung Osh zu starten. Es gilt ja den 4655 MüM hohen Akbaital Pass zu überwinden. Da kann es nicht falsch sein, in Begleitung zu reisen. Und mit Emil kann ich es mir nach wie vor gut vorstellen  - auch wenn ich wohl älter als sein Vater bin... Wir vereinbaren wieder, dass wir gemeinsam starten, schauen, wie wir miteinander auskommen und jeder vorbehaltlos aus dem „Team“ aussteigen kann, wenn es für ihn nicht stimmt – diese Klarheit schätze ich sehr, sie ist wichtig für mich, damit ich „meinen Pamir“ geniessen kann! Dass ich Emil in Murgab wieder treffe ist eine  der vielen Fügungen, die das Übergeordnete für mich bereit hält, wenn ich mich an meine Routenplanung halte – wäre ich bereits gestern in Murgab angekommen, hätte ich Emil nicht getroffen und alles wäre anders gekommen – was nicht heisst, dass es besser oder schlechter gekommen wäre... Aber so ist es einmal mehr sehr stimmig und gut für mich gekommen!! Ich bin in dieser Bergwelt sehr dankbar dafür, fühle mich wirklich gut aufgehoben und mal wieder so richtig klein und unbedeutend zwischen all den hohen Bergen und Gipfeln...

Ich schlafe erstmals seit Tagen wieder richtig gut – in einem richtigen Bett mit einem richtigen Kissen – das hatte ich letztmals in Dushanbe vor - Wochen... Die Kissen in den meisten Unterkünften waren seither immer sehr schwer und hart. Im Pamir Hotel kann ich mich richtig ins Kissen kuscheln – ohne nachzudenken, wie viele Touristen hier ihren Kopf wohl schon auf den gleichen Bezug gelegt haben, ohne dass er gewechselt wurde. Nicht falsch verstehen: Das läuft hier so – das ist keine Kritik – ich wollte die Welt sehen, wie sie ist – und sehe sie, wie sie ist. Gut so! Ich geniesse es und bin sehr froh, meine Fotokamera und mein Handy gut laden zu können – die einzige Steckdose im Zimmer hat glücklicherweise auch noch Strom, nachdem der Generator nachts ausgeschaltet und die Beleuchtung im Zimmer mehrere Stufen schwächer wurde. Denn die nächsten ca. 5 Tage müssen die beiden Akkus der Kamera aushalten, bis ich sie in Kara Kul oder gar erst in Sary Tash wieder landen kann – sonst gibt’s keine Bilder mehr – und das wäre fatal für mich – und Euch, denn dann müsstet ihr nur lesen und könntet keine Bildli lugen... (Anmerkung aus Osh: Nun habe ich Bildli und kann sie nicht hochladen – aber an Pa mailen, der dann Galierien erstellen wird...)

 

01. September 2015 – Auf zum Höhenflug...

Emil und ich starten nach dem Frühstück so um 10 Uhr. Ich habe mir noch Haferflocken und Kondensmilch gekauft. Das wird die nächsten Tage mein Frühstück sein. Wenn greifbar, übergiesse ich das klebrige Gemisch dann noch mit warmem Wasser – sonst esse ich es halt kalt. Kondensmilch – bisher ekelte ich mich vor dieser zähflüssigen „Milch“ – nun wird sie zu einer Delikatesse... Die Kondensmilch wird hier zum Teil in Beuteln mit Schraubverschluss angeboten – also wie bei uns die Nachfüllbeutel für Duschmittel. Das ist für Reisende höchst praktisch!!

30 Km hinter Murgab machen Emil und ich Pause. Da sehen wir, dass zwei Radfahrer aus dem Nichts zur Strasse fahren – ich erkenne, dass es Katharina und Holger sind. Holger habe ich ja bereits im Iran getroffen. Vor einigen Tagen habe ich die beiden in Alichur getroffen, als sie in meinem Hotel eine Suppe gegessen habe. Wie gesagt: Die Welt der Radfahrer ist klein im Pamir.

Wir fahren somit zu viert los. Das stresst mich anfänglich, da ich nicht in einer „so grossen Gruppe“ fahren wollte. Aber mein Stress löst sich schnell auf, denn: Die Gruppe verteilt sich sofort nach der Abfahrt über eine Länge/Distanz von ca. 1 Kilometer. So kann ich in Ruhe „meinen Pamir“ fahren, meine Fotos und Videos machen - und bin doch in Gesellschaft. Wunderbar!

Am späteren Nachmittag sind wir im Aufstieg zum Akbaital Pass auf einer Höhe von ca. 4100 MüM angekommen und schlagen unsere Zelte auf. Es entsteht eine Art „Basislager“ mit drei Zelten. Wir kochen gemeinsam. Holger und Emil zeigen mir nochmals wie mein Kocher funktioniert. Ich weiss es ja eigentlich – nur mag ich dieses Ding eben noch immer nicht, auch wenn es für mich in so abgelegenen Gebieten so wichtig ist. Besonders der Druck in der Benzinflasche ist mir äusserst suspekt – habe immer latent Angst, dieses Teil könnte in die Luft gehen – das würde mir dann zwar den Barbier ersparen, den ich schon lange nötig habe, suche – aber nicht finde. Ein Projekt für Osh – also der Barbier, nicht die Explosion... Wie auch immer: Ich koche meine Instantnudeln und die schmecken hier oben lecker, sehr lecker sage ich Euch – froh zu sein bedarf es wenig... Es wird eine recht angenehme Nacht – einzig das knarren meiner Deluxe-Aufblas-Matratze irritiert die Bewohner der beiden anderen Zelte – ich höre es schon längst nicht mehr...

 

02. September 2015 – Der höchste Punkt meiner bisherigen Reise...

Morgens um 08.00 Uhr klopft Holger an meine „Zelttüre“ und bringt mir eine Tasse warmen Nescafés. Wir haben gestern nämlich darüber geflachst, dass ich es schätze, wenn mir Kaffee serviert würde („meine Frauen“ aus dem Büro erinnern sich wohl – obwohl ich ja auch immer mal wieder serviert oder wenigstens die Jetons für die Kaffeemaschine gesponsert habe...). Ich freue mich SEHR über diese Geste und schlürfe den Nescafé genüsslich in meinem Schlafsack. Bald wärmt die Sonne das Zelt – Zeit aufzustehen. Die Nacht war kühler, als ich glaubte: Das Wasser in den Flaschen ist gefroren. BRRR.... Habe ich mich im Iran oder Turkmenistan nach kühlem Wasser gesehnt, sehne ich mich hier nach lauwarmem Wasser... Was man hat, das will man nicht, was man will, das hat man nicht...

Die Sonne drückt durch und wärmt schlagartig unseren Campingplatz auf. Holger hat schon mal Wasser für alle aufgesetzt, so dass ich mein Müslifrühstück de luxe zubereiten und die Kondensmilch mit warmem Wasser übergiessen kann – wunderbar!!

Bald nach dem Frühstück geht’s los, um den Rest bis zur Passhöhe zu meistern. Es wird eine schöne, für mich sehr eindrückliche aber auch anstrengende Fahrt. Mit jedem gemeisterten Höhenmeter wird die Luft dünner und dünner. Ich schnaufe wie eine alte Dampflock – um nicht sagen zu müssen, wie ein alter Mann... - und doch komme ich erstaunlich gut voran.

Die Tafel mit der Höhenangabe von 4655 MüM kommt deutlich vor der Passhöhe – die hätten sie doch schon in Dushanbe aufstellen können, dann hätte ich das Passfoto dort in aller Ruhe und ohne Anstrengung machen können. Ich verstehe nicht, warum diese Tafel gute 3 Km unter der Passhöhe steht. Aber ich muss auch auf meiner Reise nicht alles verstehen – konnte ich im Berufsleben ja schon nicht immer...

Die letzten drei Km werden dann noch wirklich heftig für mich. Ich mache immer mal wieder Fotopausen und drehe auch verschiedene Videos, die ich Euch hochladen will in Osh – und japse dabei und schnappe nach Luft... Und dann bin ich plötzlich oben, nachdem ich die letzte Kurve vor lauter Sand und Steilheit kaum schaffte – ich musste Passpartu schieben – und der stemmte sich mit seinem gesamten Gewicht von total wohl gegen 50 Kg voll gegen die Steigung und ich fand auf der unbefestigten Strasse mit meinen Veloschuhen mit den Klickplättchen an den Sohlen kaum halt – aber so kurz vor dem Ziel mobilisierte ich dann doch noch die notwendige Kraft... Auf 4655 MüM anzukommen: Das ist ein so geniales Gefühl! Ich bin stolz auf Passpartu, dass er mein Gepäck und mich hierhin getragen hat, nur drei Platten und einen Ösenbruch hatte – und stolz auf mich, es selbstorganisiert bis hierhin geschafft zu haben - und zufrieden mit der Welt. Holger offeriert einen Gipfeltrunk. Er hat ein (leider nur) kleines Fläschchen eines portugiesischen Likörs dabei. Schmeckt lecker – schade hat Holger keine grosse Originalflasche dabei! Es war ein Werbegeschenk – mit witziger Vorgesichte, die ich hier nicht aufschreiben werde. Der Likör schmeckt sicher auch einige tausend Höhenmeter tiefer – versucht es!! – mit genügend Likör könnt ihr das Gipfelfeeling bestimmt nachempfinden – oder wenigstens die Kopfschmerzen, welche viele Reisenden auf dieser Höhe erleben (ich zum Glück nicht)... Das Foto findet ihr in der Galerie, sobald die Fotos hochgeladen werden konnten...!

Die Abfahrt vom Pass hat es in sich – wie der Aufstieg. Die Strasse ist die ersten gut 20 km unbefestigt – 13 Km davon reinstes Washboard – also Waschbrett. Das sind mehr oder weniger kleine Wellen, welche quer zur Fahrtrichtung verlaufen und eng aufeinander folgen. Der Ärger eines jeden Velofahrers!! Das ist ober mühsam, denn es schüttelt das Fahrrad prächtig durch, die Schläge gehen auf den Rahmen, das Gepäck, in die Handgelenke, den Rücken, den Nacken – und man kommt kaum vorwärts, muss immer sehr gut schauen, wo man fährt und verpasst so auch die Landschaft. MÜHSAM. Zu allem Elend setzt dann auch noch ein Gegenwind ein, der immer stärker wird. Unser Ziel, heute Abend Kara Kul zu erreichen rückt immer weiter in die Ferne. Wir müssen uns aus diversen Gründen entscheiden, gute 30 Km vor Kara Kul zu campieren. Dumm nur, dass unsere Wasservorräte äusserst knapp sind – sie waren ja auf die Ankunft in Kara Kul ausgelegt - und natürlich ist gerade jetzt auch nirgends ein Bach auszumachen, aus welchem wir Wasser filtern könnten – und ein richtiges Dorf passieren wir auch nicht mehr – alles scheint sich gegen uns verschworen zu haben – jetzt aber einfach cool bleiben - was bei den kühlen Temperaturen auch ganz einfach ist – und nachdenken...: Wir entscheiden uns ganz einfach, alle unsere Wasservorräte zusammen zu schütten und Instantnudeln und Spaghetti zu kochen, welche Holger und Katharina mitführen – angereichert mit einer Dose Tomatensauce und Konservenfleisch ebenfalls aus ihrem Vorrat – so können wir mit möglichst wenig Wasser möglichst viel Nahrung zubereiten – das Wasser aus der ersten Spaghettipfanne wird sorgfältig abgegossen und für die nächste Pfanne verwendet – ja auch Westeuropäer können blitzschnell lernen, sich einzuschränken... Körperpflege gibt’s für mich an diesen Abend einmal mehr mit Feuchtüchlein – zwei müssen ausreichen, damit sie bis Osh reichen – es gilt also zu überlegen, in welcher Reihenfolge ich welche Teile meines Körpers „reinige“ – oder eben eher nur abstaube...

Die Stimmung im Camp ist an diesem Abend eher angespannt. Alle sind müde und/oder gereizt und mehr oder weniger erschöpft. Wir verkriechen uns nach dem Essen dann bald mal in die Zelte. Ich hoffe, mein Zelt gut in den Wind gestellt zu haben – denn dieser bläst die ganze Nacht recht unfreundlich um mein Zelt – der Schlaf übermannt mich recht schnell – die Windgeräusche belasten mich mit der immer grösseren Camperfahrung immer weniger – ich kann auch in dieser Nacht meinem tollen Hillebergzelt vertrauen, welches mir meine Schwester (legal verzollt!) aus USA mitgebracht hat...

 

03. September 2015 – Wenn der Wind sich dreht...

Es gibt ein knappes Frühstück – das letzte Wasser wird gekocht. Das ist an und für sich kein Problem mehr, denn wir erreichen Kara Kul heute garantiert und das Wetter ist nicht so, dass wir bis Kara Kul gross Durst bekommen sollten.

Kurz nach der Abfahrt macht unsere Strasse einen Bogen und wir haben unerwartet Rückenwind und erreichen Kara Kul bei Sonne und blauem Himmel. Eine unbeschreiblich schöne Landschaft – ich geniesse die Einfahrt nach Kara Kul sehr. Einmal mehr atemberaubend, was ich hier an Landschaft erleben darf. Ich kann es trotz Begleitung sehr gut für mich alleine geniessen. Freue mich aber auch, dass wir uns gegenseitig fotografieren können. Das gibt einfach die besseren Fotos, als wenn ich mit dem Selbstauslöser bastle...

Es ist einmal mehr ein überwältigender Moment für mich, Kara Kul zu erreichen – unbeschreiblich emotional...!!!

In Kara Kul steigen wir im ersten Homestay ab, welches wir finden können. Wir mieten uns dort die Yurte. Das Homestay ist preislich an der oberen Grenze – dennoch entscheiden wir uns, zu bleiben. Die Preise sind hier wohl auch deutlich höher, weil alles in dieses abgelegene Nest gebracht werden muss – es wächst auf dieser Höhe kaum Getreide oder Früchte oder Gemüse... Auf 17 Uhr wird uns warmes Wasser versprochen, damit wir uns waschen können – und das wird dann auch tatsächlich möglich – ein HOCHGENUSS nach den Campnächten in kalter Höhe. Auf 19 Uhr wird Strom aus dem Generator versprochen, damit wir unsere elektronischen Spielzeuge laden können – auch dieses Versprechen wird erfüllt und ich bin froh, meine Kameraakkus wieder laden zu können (die entladen sich nämlich in den kalten Nächten ganz alleine – sie mögen die Kälte halt auch nicht so...). Die Menschen hier oben in Kara Kul führen ein einfaches, hartes Leben – unklar, womit sie das Geld für ihren Lebensunterhalt verdienen, wenn sie nicht im Tourismus tätig sind... Das Wasser holt die Besitzerin des grossen Homestays in einer Milchkanne, welche sie in eine Schubkarre stellt, am Dorfbrunnen, wo sie es heraufpumpen muss. Stellt Euch vor: Da wird ein Homestay – oder eher Hotel - mit ca. 25 bis 30 Betten betrieben und das OHNE fliessendes Wasser – kaum vorstellbar, der Aufwand, den es nur schon mit der Beschaffung des Wassers zu bewältigen gilt. Dennoch sind wir alle vom Homestay recht enttäuscht. Für den hohen Preis gibt es wirklich sehr kleine bemessene Mahlzeiten, die auch hier oben schlicht überteuert wirken. Auch für einen zweiten Krug Tee müssen wir fast „betteln“. Die Gastfreundschaft, die wir sonst erlebt haben, bleibt hier wohl wegen des hohen Arbeitsaufwands auf der Strecke. Als wir am nächsten Morgen bezahlen und uns verabschieden wollen, steckt die Besitzerin das Geld zwar gerne ein - auch wenn sie die Somoni, die wir noch loswerden müssen, ungern akzeptiert – sie hätte lieber US$ – aber es gibt keinen Abschiedsgruss oder ein „GOOD LUCK“ auf den Weg, wie sonst üblich. Dabei haben wir uns sehr anständig benommen – vielleicht aber zu viel gegessen und getrunken?! Wie auch immer... – auch das ist halt eine Realität!

Am Nachmittag gehen wir noch einkaufen. Es gibt verschiedene Magasins in Kara Kul – keines grösser als 20 m2 – mit verschiedenen Angeboten. Wir besuchen deren zwei und sind gerüstet für die nächsten Etappen nach Kirgistan.

Ich muss noch meine Vorderradbremse reparieren – auf der Schüttelpiste hinter dem Akbaitalpass hat es mir einen Bremsklotz aus der Bremsbacke gerüttelt, den ich dann verloren habe – so muss ich die Bremsklötze vorne auf beiden Seiten auswechseln. Dumm nur, dass ich wegen der Gabel gar nicht an die Bremsklötze ran komme – ich muss die Bremsbacken ausbauen/wegschrauben und wieder montieren. Hm – für mich schon fast eine mechanische Höchstleistung. Doch mit Hilfe von Holger und Emil schaffe ich das und meine Vorderradbremse beisst nun wieder kraftvoll zu... Am Abend spielen wir noch Karten – das ist halt ein weiterer Vorteil, wenn man in einer Gruppe fährt. Ich gehe dann bald mal schlafen, in der kühlen Yurte. Diese wurde beheizt, als wir im Aufenthaltsraum des Homestays waren – nun ist die Wärme der Kälte gewichen...

 

04. September 2015 – Von schmutzigem Geld und vom Winde verweht...

Wir starten nach dem Frühstück – wir haben uns nochmals Spiegeleier erbettelt und wohl Unmengen von Brot verdrückt – so gegen 10 Uhr. Also eher spät. Das haben wir gestern so vereinbart miteinander, damit wir mit dem gestrigen Nachmittag und dem langen Morgen heute so eine Art „geteilten Ruhetag“ einbauen konnten. Wir kommen soweit gut voran, haben gemäss Holger zwei „Kindergartenpässe“ zu knacken – der höhere der beiden ist dann der Grenzpass auf 4300 MüM. Die Landschaft rund um den Kara Kul ist auch auf der heutigen Strecke atemberaubend. Emil und ich merken die mit dem Aufstieg zum ersten Pass dünner werdende Luft sehr viel besser als Katharina und Holger. Sie erwarten uns auf der ersten Passhöhe, als wir „endlich“ auch oben ankommen. Uns kommt noch ein Franzose entgegen, dem ich auf offener Passstrasse meine letzten Somoni verkaufe – er führt erstaunlich wenig Gepäck mit – dafür noch sein Akkordeon – jeder reist seine Reise... Er kramt mir dafür unter der Innensohle seiner Veloschuhe den Gegenwert meiner Somoni in Dollar hervor und meint, das sei nun halt schmutziges Geld. Ich lache und entgegne, damit hätten wir Schweizer ja beste Erfahrungen – und entsprechend würde ich auch schmutziges Geld akzeptieren... Ich gewähre ihm einen sehr guten Kurs und bin froh, meine Somoni nun verkauft zu haben – ob ich die in Krigistan zu einem besseren Kurs hätte wechseln können, werde ich nie herauszufinden versuchen! Anmerkung: Als ich heute, 11.09.2015 den Geldschein des Franzosen wechseln wollte, hat die Bank den Geldschein nicht akzeptiert, weil ein Oelfleck darauf sei – also doch schmutziges Geld... Die nächste Bank hat den Geldschein problemlos akzeptiert...

Die Abfahrt vom ersten Pass führt durch ein schönes Hochtal. Die Strasse ist unerwartet gut und wir können es „ziehen lassen“. Wir machen noch eine kurze Pause und fantasieren, heute noch Sary Tash erreichen zu können, was recht ehrgeizig aber nicht unmöglich scheint. Doch haben wir die Rechnung ohne den Gegenwind gemacht, der wenig später heftig einsetzt und auf gewissen Abschnitten sogar als Staub-Sandsturm daher kommt. Der Wind wirbelt nämlich den leichten Sand/Staub auf und das Fahren wird für mich sehr schwierig. Holger und Katharina ziehen in diesem Gegenwind in einer für mich unglaublichen Geschwindigkeit davon. Emil und ich können nicht mithalten. Wir sehen die beiden immer mal wieder auf uns warten, weit, sehr weit vorne  als kleine Punkte in der Landschaft – doch können wir sie nicht mehr einholen, um das weitere Vorgehen abzusprechen, da sie nie lange genug warten. Emil und ich beschliessen, an einer windgeschützten Stelle zu campen, die wir dann schlussendlich auch finden. Denn bei diesem Gegenwind glauben wir nicht, dass wir die Grenze zu Kirgistan auf 4300 MüM vor Einbruch der Dunkelheit noch erreichen können – und wir wollen beide nicht auf weit über 4000 MüM campen – auch nicht im Niemandsland zwischen Tajikistan und Kirgistan, weil wir nicht wissen wie es da ausschaut... Anmerkung: Campen im Niemandsland ist problemlos möglich, wie sich am nächsten Tag herausstellt.... So übernehmen wir in unserer Vierergruppe in unterschiedlicher Weise die Verantwortung für uns und lassen uns ziehen bzw. zurück – auch das ist Radlerrealität auf dem Pamir! Katharina und Holger treffen wir wohl erst in Sary Tash oder Osch wieder – die Welt ist klein hier oben, man wird sich schon wieder treffen... – oder auch nicht....

 

Emil und ich stellen unsere Zelte schnell auf, solange die Sonne uns im Windschutz noch wärmt, kochen Instantnudeln – was denn sonst?  - und schlüpfen dann schnell jeder in seinem Zelt in den Schlafsack. Es wird eine für mich bitter kalte Nacht – die wohl kälteste Nacht, an welche ich mich zu erinnern vermag...

 

05. September 2015 – Eisblumen...

Die letzte Nacht war wohl die kälteste Nacht meiner Reise. Ich liege im geschlossenen Schlafsack in langer Thermounterwäsche und trage auch noch ein langarm Veloshirt – und schlottere trotzdem vor mich hin. Den Kragen des Schlafsacks kann ich nicht richtig schliessen, da ich sonst Platzangst und zusätzliche Atemnot bekomme – daher verliere ich halt auch etwas Wärme... Das Thermometer zeigt mir Temperaturen an, die ich so tief wirklich nicht sehen möchte... 1.3 Grad, 1.9 Grad - BRRR...!! Es wird eine lange Nacht, weil wir so früh in den Schlafsack gestiegen sind und weil ich kaum zwei Stunden schlafe. Am Morgen ist Emil gegen 08.00 Uhr schon mal wach und checkt die Lage. Er meldet mir, dass mein Zelt auf der Aussenseite gefroren sei – auf der Innenseite bin ich gefroren... Hätte ich Fenster in meinem Zelt, würden da wohl Eisblumen blühen...

Kurz nach 08.00 Uhr drückt dann die Sonne durch und es entsteht im Zelt schnell eine wohlige Wärme, die schnell unangenehm wird. Ja so schnell kann es gehen. Im Zelt – auch wenn ich ein sehr gutes Zelt habe!! – nehme ich die Temperaturschwankungen nur zu gut wahr... Da wir knapp an Wasser sind entscheiden wir uns, zum Frühstück kein Wasser zu kochen und essen trockene Kekse zum Frühstück, die wir in Kara Kul eingekauft haben. Bald machen wir uns dann auf die letzten ca. 8 Kilometer bis zur Grenze auf der Passhöhe. Der Aufstieg hat es einmal mehr in sich. Ich schnappe in regelmässigen Atempausen nach Luft. Emil und ich sind uns einig: Wir haben gestern Abend für uns beide die absolut richtige Entscheidung getroffen. Heute können wir bei viel schwächerem Gegenwind, sonnigem Wetter und „ausgeruht“ die letzten Höhenmeter in Angriff nehmen – dazu gehört auch das Glück, dass der Gegenwind eben schwächer und nicht noch stärker wurde – Lotto auf dem Pamir... Früher als erwartet entdecke ich hinter einer Kurve den tajikischen Grenzposten – noch nie habe ich mich auf meiner Reise so sehr gefreut, einen Grenzposten zu erreichen (ausser bei der Ausreise aus Turkmenistan...)....!! Als ich  meinen Pass aus meiner Tasche ziehe, meint der tajikische Grenzer sofort „Ah Svizzaria“ – der erste  Grenzer, der mich nicht fragt, woher ich komme, obwohl es in fünf Sprachen auf dem Pass steht – sondern Svizzaria am roten Pass erkennt – hätte ich hier oben nicht erwartet...

Die Ausreise ist in fünf Minuten erledigt. Wir ziehen uns noch wärmer an für die lange Abfahrt durch das Niemandsland zum kirgisischen Grenzposten tief unten im Tal. Die Abfahrt ist zum Teil mühsam/schwierig, da die Strasse im oberen Teil wirklich schlecht ist, das haben uns die beiden Schweizer im Hotel in Murgab schon so berichtet. Es fühlt sich wohl niemand für den Unterhalt der Strasse im Niemandsland verantwortlich...

Im unteren Talbereich wird die Strasse immer besser. Wenn wir uns zurück drehen, können wir die überwältigende Bergkulisse Kirgistans erkennen. WOW!! Uns ist ein Camper aus Frankreich entgegengekommen. Das Ehepaar hat uns dringend geraten, immer mal wieder zurück zu schauen. Nun wissen wir warum!! Sie haben uns auch gesagt, in Sary Tash würde es ein nettes Homestay geben – mir wird klar: Dort steige ich zwei Nächte ab. Ich bin zu KO, um Morgen schon die nächsten Pässe zu fahren, die in Richtung Osh auf uns warten, auch wenn die „nur noch“ knapp 3600 bzw. 2400 MüM liegen – also Kindergartenpässe sind im Vergleich zu den Strassen und Pässen im Pamir Gebirge...

Wir staunen über die Länge des Niemandslands und flachsen, wir hätten den kirgisischen Grenzposten wohl verpasst und müssten zurück, um unseren Einreisestempel zu holen. Doch dann kommt der Grenzposten in Sichtweite. Wir kommen offenbar grad nach der Mittagspause an. Die Grenzer kommen alle aus einem Gebäude und nehmen ihre Arbeitsplätze wieder ein. Die Einreise ist in fünf Minuten erledigt. Keine Formulare ausfüllen, keine Taschen öffnen – nix dergleichen. Einfach ins Häuschen, Pass eingescannt, einige Worte mit dem Grenzer getauscht (so gut es eben wegen der Sprachbarriere geht – Emil spricht leidlich Russisch für den Alltag – das hilft SEHR!), Einreisestempel reingedrückt – fertig. Willkommen in Kirgistan! Warum können das andere Länder nicht auch so simpel machen???

Bis Sary Tash sind es noch gute 27 Kilometer, die wir zum Teil in mühsam zähem Gegenwind erstrampeln oder vielmehr erkämpfen müssen. Im Homestay angekommen wird uns das Zimmer gezeigt, welches wie üblich ohne Betten ist. Meine Frage nach einer Dusche wird mit „Njet“ beantwortet und mir wird das Lavabo im Korridor gezeigt und gedeutet, die Familie habe auch nicht mehr. Ich mache verständlich, dass ich mich doch da nach den Velotagen nicht sauber waschen könne – will ja keine Peepshow machen... Wir müssen der Mutter der Gastgeberfamilie in das Restaurant/den Shop folgen. Da erläutert sie uns den Preis für das Zimmer und zieht eine Liste mit einigen Sätzen auf Englisch hervor. Einer der Sätze klingt wie Musik in unseren Ohren und lautet: Ich kann Ihnen warmes Wasser bereitstellen, damit Sie sich in der Garage waschen können. GENAU – mehr brauchen wir nicht – das ist WUNDERVOLL!! Zuerst gibt es aber Mittagessen – hausgemachte Manty (gefüllte Teigtaschen – quasi Ravioli), Brot, Tee, Butter und Aprikosenmarmelade. Bald steht ein Putzkessel mit warmem Wasser und Schöpfkelle in der Garage und ein Blechbecken, in welches ich mich zu stellen habe, damit das Schmutzwasser aufgefangen wird. Der Vater der Gastgeberfamilie zeigt mir noch, wie ich die Garage von Innen verschliessen kann – ich muss die Drahtschliefe um den richtigen Nagel in der Holztüre legen. Perfekt – ich dusche, wasche mir die Haare und fühle mich danach rundum sauber und irgendwie wieder als Mensch...

Emil geniesst das gleiche Prozedere. Danach richten wir uns im Zimmer ein. Emil will nur eine Nacht bleiben – wir tauschen daher noch die Fotos, die wir von einander geschossen haben auf unseren Computern aus, laden alle unsere elektronischen Spielzeuge, hören etwas Musik und dann gibt es auch schon Nachtessen und dann Nachtruhe. Ich geniese diese „wärmere“ Nacht – denn auch in den Häusern hier oben ist es kühl, wenn es draussen kühl ist. Geheizt ist jeweils höchstens die Küche, wo meist mit Yakdung oder Gas gekocht wird – Holz wächst auf dieser Höhe längst nicht mehr... Ich schlafe soweit gut, mein Halsweh stört mich – ich habe noch zwei Vicks Blau Bonbons aus Villach dabei – eines geniesse ich in dieser Nacht sehr sorgfältig, bewusst – eine wahre Kostbarkeit, die ich mir da auf der Zunge zergehen lasse und die mir mein Halsweh kurzfristig lindert...!

 

06. September 2015 – Gute Fahrt, Emil...

Emil bricht heute Morgen nach einem frühen Frühstück auf. Ich habe mein Frühstück auf 10 Uhr bestellt, döse weiter. Wir verabschieden uns von einander – temporär. In Osh werden wir uns wohl wieder sehen. Tauschen noch unsere Telefonnummern. DANKE, für die gute, schöne gemeinsame Zeit, lieber Emil und allzeit gute Fahrt auf Deiner Reise – bleib Deinen Träumen immer treu - ich konnte viel von Dir lernen betr. Velomechanik, Benzinkocher und überhaupt...– doch wir wollen uns in Osh ja nochmals sehen!

Ich hänge in Sary Tash ab, schreibe Blog und merke, dass ich mich zunehmend grippig fühle. Fieber habe ich nicht, auch wenn ich mich fiebrig fühle – ich bin  matt und leer. So beschliesse ich, noch einen Ruhetag anzuhängen. Spaziere etwas, versuche zu schlafen. Im Verlauf des Nachmittags verschlechtert sich das Wetter sowohl auf der Seite Tajikistans als auch auf Seite Osh – hoppla – ich sitze hier also zwischen zwei Fronten fest, wenn sich über Nacht nicht etwas tut... Beim Tee am Nachmittag macht ein US-Motorradfahrer halt, der in Thailand lebt. Er gibt mir seine Telefonnummer in Thailand und sagt, ich solle ihn anrufen, wenn ich auf meiner kommenden Reise durch Thailand Probleme hätte – ein Reisender eben! Vielen Dank!! Er berichtet mir auch von Attentaten, welche sich in Tajikistan offenbar ereignet haben sollen. Er fährt dennoch nach Tajikistan, will sich nicht beirren lassen. Gute Fahrt Kurt!! Nach dem Abendessen und über die Nacht werfe ich Pretuval ein - ...

 

07. September 2015 – Wetterwechsel...

Ich habe soweit gut geschlafen. Frühstück wieder um 10 Uhr. Das Wetter bereitet mir Sorge. Als ich heute Nacht zur Toilette musste, hat es ganz leise geschneit – nur fein – aber es war S c h n e e!! Das kann ich nun wirklich nicht brauchen. Die Wetterfronten, die sich gestern angekündigt haben, hängen heute den ganzen Tag über Sary Tash – es herrscht Windstille, so bleiben die Fronten halt hängen... Sch.....! Ich überlege mir mal, was ich tun will. Allenfalls bleibe ich noch einen Tag und organisiere mir Morgen einen Transport über die Pässe. Ich will bei diesen Temperaturen nicht campen. Ich fühle mich nach wie vor „gesundheitlich angeschlagen“ – will nicht kränker bzw. wirklich krank werden. Nach einem Gespräch mit den Gastgebern wird schnell klar: Ich bestelle mein Frühstück für morgen Früh auf 07.00 Uhr – die Gastgeber wollen mich um 08.00 Uhr zum Bus bringen. Ob Passpartu Platz hat ist offen – sonst werden sie versuchen ein Taxi zu organisieren oder ich Autostoppe einen LKW wir werden sehen...

Beim Nachtessen erreicht mich ein SMS des Departementes für auswärtige Angelegenheiten EDA der Schweiz. Sie raten von Reisen nach Tajikistan ab wegen Unruhen – ich bin sicher in Kirgistan. Bereits gestern Nachmittag habe ich ja von einem Motorradfahrer gerüchteweise gehört, in Tajikistan habe es Unruhen gegeben... Ich war in Tajikistan zu keiner Zeit in Gefahr – fühlte mich immer sehr gut aufgehoben, getragen von lieben Menschen – aber eben: Hinter den Kulissen brodelt es wohl in diesem Land mehr, als man als Tourist wahrnehmen kann. Es stimmt mich traurig, dass in diesem schönen Land nun offenbar in gewissen Gebieten bewaffnete Unruhen herrschen – Tajikistan und seine Bewohnerinnen und Bewohner hätten ein besseres Leben verdient... Ich bin übrigens auch als CH-Steuerzahler durch Tajikistan gereist und habe mich gefreut, dass die Schweiz hier sehr aktiv und präsent ist, unterstützt und investiert. Ich bin überzeugt, dass jeder von mir bezahlte Steuerfranken, der hier in Tajikistan investiert wird, ausserordentlich gut investiert ist!

 

08. September 2015 – Planänderung

Die letzte Nacht habe ich sehr gut geschlafen – ganz ohne Medikamente. Ich fühle mich frischer und fiter – und erkenne beim frühen Gang zur Toilette, das sich auch das Wetter verbessert hat. Schnell entscheide ich, dass ich heute nochmals ausschlafe, erst um 10 Frühstück und dann Morgen mit Passpartu in Richtung Osh radeln will. Die Gastgeber sind früh auf, so dass ich sie rechtzeitig informieren kann. Ich treffe den Vater der Familie auf dem Korridor, als er Wasser anschleppt. Erkläre ihm, dass ich nochmals eine Nacht bleiben wolle, erst um 10 Uhr frühstücken möchte und morgen mit dem Velo oder dem Bus nach Osh wolle – je nach Wetter. Er nimmt meine Informationen auf – denkt intensiv nach, ordnet meine Infos in der für ihn so fremden Sprache sorgfältig – und erklärt dann ganz ruhig „Mister – OK! -NO PROBLEM!“. Nun gilt es zu hoffen, dass das Wetter auch Morgen und Übermorgen hält, was es heute verspricht – es dürfte einzig noch etwas Rückenwind dazu kommen, der aber kein schlechtes Wetter aus Tajikistan mitbringen darf – nur Sonnenschein bitte...

Auf den ersten ca. 20 Kilometern werde ich gute 500 Höhenmeter zu bewältigen haben – danach geht es ca. 70 Kilometer bergab – hoffentlich ohne grosse Gegenanstiege. Danach folgt nochmals ein ca. 20 Kilometer langer Anstieg auf etwas über 2400 MüM und dann die rund 60 Kilometer lange Abfahrt nach Osh. Ich rechne für die Strecke mit zwei Tagen. Somit werde ich am Donnerstag, 10. September 2015 in Osh eintreffen... Osh – ein magischer Ort, den zu erreichen mir ganz wichtig ist – ist es doch die Stadt, die den Namen meines Freundes Osch trägt, der mich im Vorfeld meiner Reise immer wieder motiviert hat und mir auch Mutmacherkarten gebastelt und geschickt hat. Er ist einer von vielen, die mich vor und während meiner Reise so grossartig getragen haben und mich noch immer tragen – einer der Menschen, ohne die ich diese Reise wohl nie gewagt hätte – und heute weiss ich, was ich verpasst hätte... Getragen werde ich auch nach wie vor von meinen Eltern, meiner Schwester, meinem Gschbusi und ganz vielen Freunden im Hintergrund – meinen Blogleserinnen und –lesern – meinen Sponsoren - das tut gut, sehr gut!! TAUSEND DANK EUCH ALLEN!!!

Nach dem Frühstück erreicht mich eine Mitteilung von Emil. Er ist in Osh eingetroffen und hat dort auch Holger und Katharina getroffen – die sind also dem sandigen Gegenwind gut entronnen – gut so. Holger lässt fragen, ob ich für ihn das E-Book, welches er in einem Homestay in Sary Tash vergessen hat, mit nach Osh transportieren könnte. Ich sage zu, dass ich das E-Book hole und nach Osh bringe – teile aber auch mit, dass ich mich auf der Fahrt nach Osh exakt an meinen Zeitplan halte und mich nicht von Holgers Planung beeinflussen lasse und für eine funktionierende Übergabe des E-Books keine Verantwortung übernehmen würde. Holger teilt mit, das sei OK für ihn. Ich schwinge mich also auf Passpartu und radle zum Guesthouse, wo Holger sein E-Book vergessen hat. Dort weiss man, dass „einer“ kommt, um „den Computer“ abzuholen. Nur gibt man mir den „Computer“ nicht einfach so heraus. Die Besitzerin des Guesthouses ruft jemanden an, der Englisch spricht und ich muss am Telefon zwei Fragen beantworten: Wie ich heisse will der Mann am anderen Ende der Leitung wissen und aus welchem Land ich komme. Da ich beide Fragen richtig beantworte – er weiss ja nicht, dass ich Australier war auf dem Pamir... – händigt mir die Besitzerin „den Computer“ aus. Es handelt sich um einen E-Reader also nur um einen „halben“ Computer – aber dieses Teil war vorsichtig gehütet und auch nicht griffbereit an der Türe – es war wohl irgendwo versteckt. Das zeugt auch wieder von der Sorgfalt, mit welcher die Menschen in Kirgistan mit Gästen umgehen. Auf der Fahrt zum Guesthouse merke ich, dass Passpartus Vorderrad schon wieder Luft verliert. Ich ärgere mich masslos. Ich fasse nun den ultimativen Entscheid, den Vorderpneu und den Schlauch zu wechseln. Ich habe ja einen Ersatzpneu dabei. Mühsam, ärgerlich – ich hoffte so sehr, mit Mickis Pannenspray bis nach Bishkek zu kommen. Aber es hat nicht sollen sein. Also mache ich mich hinter die Arbeit. Frontloader abschreiben, Nabendynamo abhängen, Luft aus Rad lassen, damit ich das Rad durch die Bremsen kriege, Rad ausbauen und den Pneu von der Felge „murksen“. Faltpneu (Ersatzpneu) entfalten und richten, damit er wirklich einigermassen einem Pneu gleicht, auf der einen Seite über die Felge ziehen und dabei die Laufrichtung beachten, welche mit einem Pfeil markiert ist für Dummies wie mich, neuen Schlauch einfädeln und Pneu auf der anderen Seite auf Felge ziehen – auch das ein „Murks“. Zwei Jungs kommen dazu und helfen spontan. Die sind echt flink und praktisch veranlagt – ich staune. Kommt wohl davon, weil sie früh hier mit anpacken müssen. Da ist grosser Nachwuchs für Handwerkberufe im Westen...! Sie sind ganz stolz, mir helfen zu können – oder haben sie Mitleid mit mir, weil ich mich so dumm anstelle und denken „wir nehmen das mal selber in die Hand, der Mister Tourist macht das so umständlich!“ – ich weiss es nicht, wir können ja nicht miteinander sprechen... Bald ist das Rad montiert und läuft auch rund – soweit das mit der kleinen, harmlosen Acht, die das Vorderrad eingefangen hat, möglich ist. Schnell hat der grössere der beiden Jungs das Rad gut gepumpt und fertig ist die Reparatur. Nun gilt es einfach zu hoffen...!! Wie gesagt: Auf dem Pneu ist die Laufrichtung mit einem Pfeil für Dummies wie mich angezeigt – ich schaffe es natürlich, da Passpartu bei der Reparatur auf dem Kopf steht, den Pneu gegen die Laufrichtung zu montieren, ich hätte alles spiegelverkehrt überlegen sollen – das merke ich aber erst, als ich das nach abgeschlossener Reparatur überprüfe. Und Ihr dürft mir glauben – es ist mir so was von egal!! Ich werde in Bishkek oder spätestens in Hanoi oder allerspätestens in Bangkok einen guten Veloladen finden, der mir die Sache nochmals neu richtet und mir einen neuen Pneu aufsetzt, damit ich den Ersatzpneu wieder als Faltpneu in mein Gepäck nehmen kann – sofern er bis dahin hält, was mir beim Kauf versprochen wurde...

Der Schwalbe Marathon Pneu, den ich vorne Original montiert hatte, hat auf der Innenseite eine Stelle, wo ein Drähtchen des Mantels durchdrückt. Dieses Drähtchen habe ich schon beim ersten Plattfuss zu kappen versucht, so gut es ging und habe die Stelle mit Reifenflicken überklebt – aber das Drähtchen drückt durch, das erkenne ich, weil sich alle Löcher recht genau an der gleichen Stelle befinden im Schlauch. Tja – was nun tun mit dem teuren Pneu, der so nicht viel dient – ich nehme ihn wohl mal mit nach Osh bzw. Bishkek – vielleicht kann dort der Velomech das Problem mit dem Drähtchen besser lösen als ich hier...

So hatte Holgers Bitte doch noch eine gute Seite – sonst hätte ich allenfalls erst morgen Früh bei der Abfahrt bemerkt, dass das Vorderrad schon wieder platt ist...

 

09. September 2015 – Auf geht’s

Bei schönstem Wetter – stahlblauer Himmer – nicht eine Wolke – fahre ich in Sary Tash ab. Ich spreche noch mit zwei Velofahrern aus Spanien, welche auf dem Weg nach China sind. Sie sind nur in den Ferien hier oben unterwegs. Dann knacke ich die beiden Pässe hinter Sary Tash und freue mich sehr über die Kurven, welche mich auf der Abfahrt vom zweiten Pass erwarten – Fotos und Video folgen...

Ich erreiche im Gegenwind am Abend Gülcha, wo ich per Zufall in ein Homestay gewiesen werde von den Menschen auf der unbefestigten Quartierstrasse. Ein sehr schöner Ort. Die Oma zeigt mir, wie ich mich mit warmem Wasser im „Badezimmer“ Waschen kann, die Mutter der Familie kocht mir eine Art Gerstensuppe – und eine aufgeschnittene Tomate – HERRLICH - und ich bekomme viele Schoggibisquits zum Nachtessen – und ein feines, sauber angezogenes Bett auf einer prima Matratze. Ich schlafe wunderbar!! Zum Frühstück am nächsten Morgen gibt es dann VIER Spiegeleier und einen grossen Teller Salat – WUNDERBAR – endlich mal wieder frisches Gemüse – das war auf dem Pamir halt Mangelware... Die Herzlichkeit dieser Familie lässt auch vergessen, dass ich auf den 100 Km seit Sary Tash von so vielen Strassenhunden angegriffen wurde, wie auf meiner ganzen Reise nicht. Ich habe nun Steine in meinen Rückentaschen und jeder Köter, der mich angreift, bekommt einen solchen direkt auf seinen Kopf zu geschmissen – tut mir leid, aber ihr kapiert ja nur, wenn ihr fühlt... Anmerkung: Bis Osh habe ich die Steine transportiert – kein Hund hat mich mehr dumm angemacht...

Vergessen auch die ärgerliche Sitaution, als ich eine kirgisische SIM Karte kaufte, die dann nicht funktionierte und die Verkäuferin mir das Geld nicht erstatten wollte – also erst einwilligte, als ich mit der geballten Faust und einigen Fluchwörtern auf Schweizerdeutsch auf den Tresen ihres kleinen Verkaufskiosks geschlagen habe...

 

10. September 2015 – Die Stadt, die seinen Namen trägt – folgen sie diesem Wagen...

Der Vater der Gastgeberfamilie eskortiert mich zur richtigen Strasse nach Osh. Heute muss ich nochmals einen Pass mit 2400 MüM überwinden. Eigentlich keine Sache. Nur habe ich gestern so viel Höhe verloren, dass es halt ein langer und mühsamer Aufstieg wird. Gegen die Passhöhe setzt dann auch Gegenwind ein, der mich bis Osh begleiten wird. Ich hasse Gegenwind so oder so – wenn er mich aber auf einer Abfahrt ausbremst, hasse ich ihn noch mehr... Ich erreiche Osh – wo ich merke, dass ich den ganzen Tag kaum was gegessen habe – ausser dem Brot und dem Tee, welches ich hinter der Passhöhe mit David aus Australien gegessen habe – er ist  mit dem Fahrrad unterwegs nach Europa... Ich suche das TES Guesthouse – es ist schwierig zu finden... Die Menschen auf der Strasse geben mir widersprüchlich Auskunft. Ich merke, dass ich essen muss – es wird mir zweitweise schwindlig. Ich esse Somsa und trinke Cola – und es geht mir schlagartig besser. Ich heure ein Taxi an, welches mich durch die Stadt führt: Ich folge also dem Wagen, den ich angeheuert habe und werde vom Chauffeur im TES Guesthouse abgeliefert, wo Emil, Katharina und Holger auch sind – und ich bekomme gleich ein Bier serviert – DAS TUT GUT!!!

Ich beziehe ein Bett in der Yurte, „koche“ mir in der Gemeinschaftsküche Instantnudeln (also ich schütte drei Packungen in einen Messbecher und übergiese sie mit heissem Wasser aus dem Wasserkocher – und ES SCHMECKT und nährt mich für dich Nacht!). WiFi dreht nur langsam – aber auf der Fixstation im Guesthouse kann ich kurz einen Artikel in Latest News schreiben und E-Mails beantworten...

Ich bin in Osch angekommen, der Stadt, die den Namen meines Freundes Osch trägt – getragen von Familie, langjähriger Beziehung, Freunden, Bekannten, Sponsoren, Blogleserinnen und – lesern – DANKE!!

 

Ich kann hier die Fotos nur mühsam hochladen auf die Webseite - aber mit etwas Geduld ging es - ihr findet sie hier bis und mit Murgab - die Fotos über den Pamir folgen separat - das mache ich in den nächsten Tagen, Nächten...

 

DANKE!!!

 

Liebe Grüsse in die Welt hinaus

 

Patrik

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Kommentare: 1
  • #1

    ka. (Donnerstag, 17 September 2015 18:40)

    Lieber Patrik
    Was für ein langer Blog, ich erlebe alles nochmals mit wie bei Mth.
    Wie du schreibst reist jeder seine eigene Reise. Deine ist ganz anders obschon die Route beinahe diesselbe ist!
    Patrik du bist sooo stark ich wünsche dir weiterhin viel Schönes.
    Bin in Gedanken oft bei dir .... herzlich liebe Grüsse. ka.

 

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