HEUTE BIN ICH ACHT MONATE UNTERWEGS - UNGLAUBLICH!!!
Mann muss nicht verrückt sein, um Indien mit dem Velo zu queren – aber es hilft...
In Lumbini hatte ich eine sehr gute, sehr schöne Zeit. Es war nämlich eine sehr grosse Freude, diese Tage mit Gion aus meinem Quartier in Bern verbringen zu können, den ich ja zufällig auf dem Weg dahin angetroffen habe, auf seiner Veloreise von Nepal nach Indien... Unsere gegenseitige Wellenlänge stimmte, die Interessen stimmten, das Reisetempo, der Humor – eine rundum gute Zeit!
Wir haben verschiedene Tempel besucht und natürlich auch den Geburtsort Buddhas. Da waren wir fast zu spät, weil wir uns bei Tee und lokalem Konfekt „verquatscht“ haben – tja, wenn sich zwei „Kaffeonkels“ beim Tee treffen... Das hatte aber den Vorteil, dass wir kurz vor „Betriebsschluss“ beim entsprechenden Platz/Tempel angekommen sind und die letzten und einzigen Touristen des Abends waren. Die Wächter haben uns „für fünf Minuten“ noch reingelassen – und uns dann auch gleich alles gezeigt und erklärt. Wunderbar. Leider durfte man keine Fotos machen – und schon gar nicht, wenn die Wächter einen begleiten...
Sonntag, 29. November 2015
Nachdem Gion und ich den Geburtsort Buddhas gestern besucht haben, besuchen wir an diesem Tag verschiedene Tempel in Lumbini – auch die Welt Friedens Pagoda... Scheinbar weiss kaum jemand, dass es sie gibt – sonst gäbe es wohl weniger Krieg auf der Welt...
Lumbini ist – wie offenbar ganz Nepal – quasi frei von Touristen... Die zum Teil sehr edel angelegten und ebenso gepflegten Gärten und Parks rund um die Tempel sind meist menschenleer...! Für uns natürlich sehr angenehm und schön... Wir geniessen die Ruhe - war doch die Strasse in Nepal laut, stickig...
Gegen Abend erlaubt mir das WiFi im Hotel überraschend gute Skypsessions mit meinen Eltern, meinem Gschbusi und meiner Schwester – wunderbar, meine Liebsten mal wieder zu sehen, ihnen wenigstens virtuell nahe sein zu können, zu sehen, dass es ihnen auch gut geht...
Dann noch ein Telefongespräch mit Surat. Er wartet in Kathmandu auf sein letztes Trekking dieser Saison. Es sieht aber schlecht aus. In Kathmandu, so erzählt mir Surat, wären kaum mehr Touristen – die Saison daure nicht mehr lange, maximal 15 Tage. Er warte nun noch einige Tage ab – wenn nichts komme, gehe er zu seiner Familie heim, um bei der Reisernte zu helfen! In Kathmandu, so berichtet Surat mir weiter, würde es aktuell wirklich kaum mehr Treibstoff geben und die Stromausfälle würden sich täglich häufen und würden auch zunehmend länger etc... Es sei schwierig(er) geworden, das Leben in Kathmandu!
Beim gemeinsamen Abschieds-Nachtessen mit Gion – bei Bier und süss gespritztem nepalesischem Weisswein, der übrigens auch ohne Sprite herrlich schmeckt - entsteht die Idee, Gion könnte doch mit mir nach Varanasi und von dort via Agra nach New Delhi radeln, wo er vor Weihnachten seinen bereits gebuchten Rückflug in die Schweiz erreichen muss. Nach einem längeren, spannenden Gespräch Oskar, mit einem Backpacker aus Italien während des Nachtessens, prüfen, berechnen und planen wir Gions Routenänderung, als wir nach 22 Uhr im Zimmer sind - alles geht gut für ihn auf und er entscheidet freudig: He - ich fahre mit Dir nach Varanasi!! Cool – dann sind wir noch eine Woche gemeinsam unterwegs!! Gion freut sich auf Varanasi – und wir uns auf unsere weitere gemeinsame Radlerzeit!
Montag, 30. November 2015
Mein letzter Tag in Nepal! Auf meiner inzwischen 8monatigen Reise habe ich mich in keinem Land so vorbehaltlos aufgehoben gefühlt, wie in Nepal – und heute muss ich definitiv weiter...
Ist ja auch gut, irgendwie – ich freue mich ja auch auf Indien – und doch - Wehmut...!!
Doch der Morgen wird emotionaler als erwartet, denn...
...heute Morgen melden sich bei Gion leise Zweifel betr. der Distanz zwischen Varanasi und Agra an. Wir prüfen beim Frühstück nochmals mit einer Routenplanungssoftware alles haarklein und siehe da: Wir haben gestern Abend tatsächlich einen Bock geschossen und die Strecke zwischen Varanasi und Agra gerade mal um ganze 300 km (!!) verkürzt – das sind 3 bis 4 Radlertage – in Indien eher 4. Somit wird klar: Für Gion liegt die Routenänderung über Varanasi nicht drin – und ich reise doch alleine nach Varanasi weiter. Schade – es wäre zu schön gewesen!! Gion und ich haben nämlich eine wirklich sehr gute gemeinsame Zeit verbracht, die wir beide entsprechend gerne bis Varanasi verlängert hätten.
So satteln Gion und ich nach dem Frühstück unsere Velos, ich eile noch schnell zur Bank, um Surat die letzte Tranche der Spenden für den Hausneubau zu überweisen – das Bargeld dazu habe ich in den letzten Tagen in verschiedenen Orten an verschiedenen Geldautomaten beziehen können - und dann zurück zum Hotel, wo Gion schlussendlich gute 40 Minuten auf mich gewartet hat, damit wir die letzten zwei, drei Kilometer auf der gemeinsamen Strecke auch wirklich gemeinsam fahren können – DANKE!!
Ja, 40 Minuten hat der Geldtransfer gedauert, weil ich zu früh war. Die Bank hätte um 10 Uhr öffnen sollen – ich war schon um 09.50 Uhr da, habe gewartet... Um 10 nach 10 war die Bank noch immer geschlossen, doch öffnete eine Wechselstube, welche auch Money Transfer anbietet. Also habe ich mich da in die Reihe der Wartenden gestellt... Dann im Shop nebenan eine Passkopie machen müssen, damit in der Wechselstube alle Dokumente abgeheftet werden können – und schlussendlich sollte es nun klappen und für 400 Nepali Rupees – also ca. 4 Franken – ist das Geld unterwegs zu Surat. Als ich deutlich nach 10 Uhr wieder an der Bank vorbei komme, ist diese noch immer geschlossen...
Dann fahren Gion und ich also los – zur Kreuzung, wo Gion geradeaus in Richtung Westnepal und ich rechts zurück nach Bhairahawa fahre, um den Grenzübergang Sunauli zu erreichen. Gion meint, schon wieder so ein Abschiedsmoment, davon habe er auf seiner Reise bereits so viele erlebt... Ja, schon wieder so ein Abschiedsmoment bestätige ich ... Gefühlt verabschiede ich mich seit dem 02. April 2015 dauernd – wobei das ja auch nur möglich ist, weil ich immer wieder guten Menschen begegne – doch der Abschied schmerzt halt jeweils und ist daher schwerer als die Begegnung... Bei der Kreuzung halten wir an, steigen von unseren Rädern, eine letzte Abschiedsumarmung – ich schwinge mich auf Passpartu und fahre los... Never looking back...! Sei behütet auf Deinem Weg, lieber Gion – danke für die schönen Tage, die sehr guten Gespräche, das Vertrauen und überhaupt! Wir sehen uns in Bern nach meiner Rückkehr im Sattler zum Bier und dem süss gespritzten Weisswein – das haben wir ja bereits fest vereinbart J - das wird cool!! Da haben wir uns dann wieder ganz viel zu erzählen und werden dann wohl die letzten Gäste sein bei Betriebsschluss – wie bei Buddhas Geburtsplatz...
Bhairahawa erreiche ich problemlos – komme nochmals am Platz vorbei, wo Gion die Berner Röschti aus dem Beutel zauberte und wir uns wohl die Zecken eingefangen haben...
Übrigens: Danke für die Anteilnahme am Zeckenbiss und Eure Behandlungstipps! Die Bissstelle hat sich (bis jetzt) nicht entzündet – das werte ich als sehr gutes Zeichen!
Die Ausreise aus Nepal verzögere ich, indem ich ausgangs Bhairahawa nochmals einen letzten Milk Tea in Nepal trinke und dann muss ich aber wirklich über die Grenze.
Die Ausreise aus Nepal verläuft sehr fröhlich. Die Grenzer sind trotz Beigen von Pässen, die sie für Reisegruppen bearbeiten müssen, in aufgeräumter Stimmung. Es reisen also doch Touristen nach Nepal – nur wohin, wenn alle Touristenhotspots leer sind... Die Grenzer freuen sich, dass ich in Nepal eine gute Zeit hatte und machen mich darauf aufmerksam, dass ich mein Visum noch nicht ausgeschöpft hätte, ich also zurückkehren könne, wenn mir Indien nicht gefallen sollte...
Ich schiebe Passpartu im Gewühl von Fussgängern, Autos, Motorrädern, Velos, Kühen und was sonst alles Beine oder Räder hat in Indien, durch das Grenztor. Und glaubt mir, in Indien hat ALLES Beine und/oder Räder, wie mir scheint...
Von zwei Uniformierten werde ich empfangen, die sich nach dem Wert von Passpartu erkundigen, den ich wie üblich in solchen Situationen deutlich reduziere und prüfen, ob ich den Ausreisestempel von Nepal im Pass habe. Dann werde ich zur indischen Passkontrolle geschickt, welche sich ca. 200 Meter hinter der Grenze befinden soll. Es ist gar nicht so einfach, dieses Büro zu finden. Der Eingang liegt versteckt zwischen vielen Shops. Doch ich werde von einem zivil gekleideten Herrn abgefangen und ins Büro geführt. Nein, es ist kein Schlepper. Der arbeitet hier. Ich muss ein Formular ausfüllen, einen Moment warten und meinem Visum wird der Einreisestempel aufgedrückt.
Meine Suche nach einem Geldautomaten wird mit Ernüchterung abgebrochen: Der nächste internationale Geldautomat soll in Gorakhpur sein – gute 90 Kilometer entfernt. Das erreiche ich heute nicht mehr vor der Dunkelheit und bei Dunkelheit fahre ich in Indien keinen Meter Velo! Tja, somit muss ich von meinen letzten Dollars wechseln und kann auch unerwartet meine wenigen letzten Nepali Rupees wechseln – zu einem schlechten Kurs aber immerhin gibt es etwas Cash.
Der Geldwechsler erklärt mir, die Nepali wären verrückte Menschen, würden die Grenze blockieren – nicht die Inder. Das sei so, weil der nepalische Premierminister von China bezahlt werde. Ich lasse mich auf keine Diskussion ein - ... Der Geldwechsler erklärt mir zudem, dass ich in Indien viel die besseren Strassen antreffen werde, als in Nepal – in Indien ist eh alles besser, wenn es nach ihm geht... Ich halte mich bedeckt – Nepal zu topen wird für Indien schwierig!
Und dann fahre ich los – meine ersten Millimeter auf den Strassen Indiens. Ja Millimeter. Der Verkehr steht über Kilometer. Es wird gehupt, auf Teufel komm raus – mehr als meine Ohren und meine Nerven auszuhalten in der Lage oder bereit sind. Ich muss mich durch rollende, kreuz und quer stehende Fahrzeuge aller Art schlängeln. Ärgere mich, wie doof sich die Verkehrsteilnehmer hier verhalten und sich so dauernd gegenseitig blockieren...!! Meist schiebe ich Passpartu. Als ich zwischen einem Truck vor und einem Car hinter mir blockiert/eingeklemmt stehe, rollt der Car einfach langsam in Passpartu hinein und hupt... - ja verdammt, wo soll ich denn hin, he? Willst Du mich hier zerquetschen, Du .......... (die Zensur erlaubt es nicht zu schreiben, was ich dem Carchauffeur zugerufen haben...!!!)? Ich werde so was von WÜTEND!! drehe mich zum Buschauffeur um, zeige ihm den Mittelfinger meiner rechten Hand und brülle ihn auf Schweizerdeutsch an – es hat offenbar ein Jux sein sollen, den ich einfach überhaupt nicht lustig finden kann! Ich brauche für 4 Kilometer fast 45 Minuten – und dann erreiche ich eine Umfahrung und komme etwas zur Ruhe – die letzten 45 Minuten haben meine Aufmerksamkeit und meine Nerven gleichermassen arg gefordert!! Hilfe, wenn das über tausende von Kilometern in Indien so weitergehen soll, dann guet Nacht am sächsi...!
Ich frage mich bei vielen indischen Verkehrsteilnehmern, was sie hinter der Stirn in ihrem Kopf haben – ....?? Wenn doch etwas da ist, funktioniert „es“ definitiv anders, als in allen anderen 14 Ländern, in welchen ich bisher auf meiner Reise unterwegs war... Paradebeispiel: Bahnübergang!
Also: Die Schranke ist geschlossen. Der Zug nähert sich. Das interessiert kaum jemanden. Weder die Fussgänger, welche auf dem Bahngeleise unterwegs sind, noch die Fussgänger, welche den Bahnübergang passieren wollen. Letztere schlüpfen einfach unter der Schranke durch – der Lokführer hupt wie irr - ... – doch man schiebt in aller Seelenruhe noch sein Motorrad unter der Schranke durch, um die Geleise vor dem herannahenden Zug zu überqueren...
Dann ist der Zug durch, die Schranke noch unten – es wird gehupt wie irr – die Schranke beeindruckt dies nicht – sie bleibt weiter unten..! Und dann, ja dann öffnet sich die Schranke und ich habe auf genau diesen Moment gewartet, denn: Die Autos, Motorräder und Velofahrer haben sich auf beiden Seiten des Bahnübergangs auf der ganzen breite der Schranke verteilt angesammelt. Es rollen also bei offener Schranke zwei „Lawinen“ aufeinander los, die beide so breit sind, wie die Strasse. Wie wollen die Verkehrsteilnehmer nun kreuzen?? Dieses Verhalten wird in meiner Fahrrichtung dadurch unterstützt, dass die Schranke sich eben so öffnet, dass zuerst die Gegenfahrbahn den Bahnübergang passieren kann. Bleibt man auf der Spur meiner Fahrrichtung, muss man warten, bis die Schranke ganz geöffnet ist – also müsste man warten - nur wartet hier NIEMAND! So rollen dann zwei Blechlawinen aufeinander zu - würden alle Verkehrsteilnehmer auf der Fahrspur ihrer Fahrrichtung bleiben, ginge schlussendlich alles viel schneller – aber NEIN der Inder liebt offenbar das Choas und dieses veranstaltet er auch locker-flockig auf dem Bahnübergang. Ich versuche die indische Problemlösungsvariante „Bahnübergang“ zu filmen und warte daher genüsslich ab, bis sich die Situation beruhigt hat. Unglaublich!
Dann erreiche ich Pharenda nach knappen 80 Kilometer – ich weiss, dass es hier ein Hotel geben soll. Und beschliesse, hier zu übernachten. Der erste Tag auf indischen Strassen war anspruchsvoll, auch wenn er meist durch endlose, flache Weiten geführt hat, in welchen Landwirtschaft betrieben wird und die Menschen in armseligen Unterkünften wohnen – körperlich war es nicht so anstrengend – aber für die Sinne war es intensiv.... Und ich bin müde... Das Hotelzimmer soll doch tatsächlich 14 Dollar kosten. Es ist riesig – doch geboten wird nix. Weder Strom in der Steckdose noch warmes Wasser noch WiFi. Ich handle es mit Müh und Not auf 10 Dollar runter – immerhin knapp 30 Prozent weniger. Und dann, dann handle ich noch einen Eimer warmes Duschwasser ein – das will der Hotelier zusätzlich verrechnet wissen – da drohe ich, das Hotel zu verlassen - und das Wasser ist im Preis inbegriffen. Geht doch – bin froh, hat er eingewilligt, denn ich wüsste nicht wohin sonst, ausser irgendwo in mein Zelt und darauf habe ich grad so gar keine Lust und wildes campieren wird in Indien auch nicht besonders empfohlen...
Morgen erreiche ich gegen Mittag Gorakhpur, wo ich „Büroarbeiten“ erledigen will – insbesondere will ich mir eine lokale SIM-Karte mit Datenvolumen besorgen, damit ich online sein kann bzw. die SIM-Karte laden, welche mir ein anderer Radfahrer aus der Gegenrichtung in Bishkek übergeben hat, weil es in Indien nicht so einfach sein soll, eine lokale SIM-Karte zu kriegen...
So geht mein letzter Tag in Nepal und mein erster Tag in Indien zu Ende. Ein spannender, intensiver, emotionaler Tag...
Dienstag, 01. Dezemer 2015
Geschlafen habe ich schlecht letzte Nacht – die Mücken... Dann habe ich mich entschieden, den Deckenventilator über meinem Bett einzuschalten. Dieser drehte auf genau einer Stufe – der höchsten! Das ist irgendwie typisch indisch, geht mir durch den Kopf: Maximal muss es sein... Der „heftige Wind“ des Ventilators ist den Mücken zu stark und ich habe meine Ruhe vor ihnen – gegen den Wind hilft mir mein Daunenschlafsack, in welchen ich mich einkuschle...
Das frühe Frühstück verschiebe ich, als ich den dichten Nebel sehe, der hier am Morgen liegt – so kann ich nicht losfahren – das scheint mir zu gefährlich. Somit frühstücke ich etwas später und fahre gegen 09.45 Uhr erst los. Die Strecke nach Gorakhpur beträgt knappe 50 Km – also 2 – 3 Stunden.
Den Weg finde ich problemlos. Bei Kreuzungen frage ich nach – meist steht da ein Polizist, der – ja, was macht der da genau? – nun, also an vielen Kreuzungen steht ein Polizist manchmal auch zwei (zu zweit plaudert es sich besser...) er steht/sieh stehen da und wartet/warten, bis ein Velofahrer aus der Schweiz nach dem Weg fragt – so scheint es mir jedenfalls... Ich trinke in einem Strassenrestaurant noch zwei kleine Gläser Milk Tea (ca 1Dl gibt das pro Glas jeweils) und muss noch ein Blätterteiggebäck dazu essen. Lecker! Alles in allem kostet das dann 15 Rupees – also um die 25 Rappen. Im Hotel hat eine Tasse Tee mehr als 3x soviel gekostet...
An einer grossen Kreuzung frage ich wiederum den Polizisten, welche Abzweigung ich nehmen muss, da alles nur in Hindi angeschrieben ist und der Verkehr interessanterweise nicht in eine Hauptrichtung fliesst, sich verzweigt. Die Richtung des Hauptverkehrs zeigt nämlich meist auch die Richtung der Hauptstrasse an. Die Abzweigung die ich zu nehmen habe, führt mich dann direkt zum Polizeiposten!!
Ich bin zum Tee eingeladen – lustig! DANKE! Englisch spricht der Polizist nicht, aber wir kommen auch so klar. Ich frage ihn, ob es hier einen ATM – also einen Geldautomaten – gibt. Er versteht mich nicht. So zücke ich mein „Ohne-Wörter-Wörterbuch“ und zeige im das Bildchen des Geldautomaten „OH ATM“ ruft er aus – ja ATM denke ich... – klar schräg gegenüber hinter dem Haus... Ich kann problemlos Indische Rupees beziehen – das funktioniert besser als in Nepal...
Ich erreiche Gorakhpur – und schlängle mich durch den Stadtverkehr. Immer und immer wieder machen mich die Inder darauf aufmerksam, dass Passpartus Licht brennt. Sie können nicht verstehen, dass ich bei Tag mit Licht fahre – sie fahren ja selbst nachts ohne...
Ich finde ein Hotel, wo ich für 16 Franken ein Topzimmer kriege – alles ist da – ausser WiFi...
Dann mache ich mich nach einer wunderbaren Dusche auf den Weg zum Shop von BSNL – dieser Telefonieanbieter bezeichnet sich als Nummer 1 Nepals und ist offenbar der staatliche Anbieter. Ich habe von einem anderen Velofahrer in Kirgistan ja eine SIM-Karte dieses Anbieters bekommen, welche ich laden möchte. Den Shop von BSNL zu finden ist nicht einfach – suche ich doch einen Shop, wie ihn andere Anbieter hier auch betreiben. Also ein Ladenlokal. Stellt Euch nun keinen Shop vor, wie ihr ihn aus der Schweiz kennt. Shops hier sind meist kleinste Ladenlokale so 5m2 oder so. Dafür kann auch schon mal eine Kuh stehen oder wenigstens ein Kuhfladen liegen... Aber das ist Indien – und um das zu erleben, bin ich hier. Ich wollte die Welt sehen, wie sie ist...!
Doch dann finde ich das heruntergekommene Bürogebäude, wo in Room Nr. 5 das Laden meiner SIM-Karte möglich gemacht werden soll. Doch Room Nr. 5 finde ich nicht. Einige Zeit später ist der Wachmann dann doch bereit, andere Kunden anzuquatschen, ob jemand English spreche. Jemand spricht English und kümmert sich um mein Anliegen. Es dauert schliesslich 2.5 Stunden bis mir erklärt wird, man könne meine SIM-Karte hier nicht laden, weil sie in einem anderen indischen Bundesstaat ausgestellt wurde... U N G L A U B L I C H!!! Man hat zwischenzeitlich sogar den lokalen Generalmanager in die Lösung meines Problems involviert... Eine neue SIM-Karte kann ich auch nicht kaufen, da Touristen in Indien keine solche bekommen, da sie keine fixe und überprüfte Adresse in Indien haben. Tja, wollte ich die Welt erleben, wie sie ist...
Selbst im Iran war alles sehr viel einfacher. Die lokale SIM-Karte ist für mich jeweils sehr wichtig, weil ich damit immer sehr viel günstiger telefonieren und mit meinen Angehörigen in Kontakt bleiben kann, als mit der SWISSCOM-Karte, mit welcher eine Minute in die Schweiz telefonieren fast 5 Franken kostet... – was ich schlicht und einfach als „Diebstahl“ empfinde...!
Ich bin etwas sehr genervt über diese Regeln und Mühsamkeiten!!
Nach dem Nachtessen – ich gehe zu Pizza Hut und hoffe, dort WiFi zu finden... – vergebens – jammere ich mein Elend dem Portier in meinem Hotel. Er diskutiert mit dem Wachmann und dieser wiegelt den Kopf hin und her... Dann erklärt der Portier mir, er werde mir bis Morgen 10 Uhr eine lokale SIM-Karte besorgen, die ich dann laden gehen könne... Ha! Mal wieder hilft das System: Es ist wichtig, jemanden zu kennen, der weiss, dass es jemanden gibt, der wiederum weiss, wen man fragen muss...
Einmal mehr hat das Übergeordnete wohl seine Finger im Spiel – wunderbar...!!
Am Abend rufe ich meine Mutter an, um ihr zum Geburtstag zu gratulieren – das war mir ganz wichtig! Das kurze Gespräch mit der SWISSCOM-Karte verschlingt mehr als die Hälfte eines Tagesbudgets – war aber sehr viel mehr wert, als es gekostet hat J und ich hätte auch noch mehr für dieses Gespräch bezahlt – nur gönne ich SWISSCOM den Profit nicht...!
Mittwoch, 02. Dezember 2015
Heute vor unglaublichen acht Monaten bin ich in Bern losgefahren... – und nun bin ich in INDIEN – mir kommen diese acht Monate einerseits sehr lange vor – andererseits auch nicht.
Da ich meine SIM-Karte erst heute um 10 Uhr bekommen soll, kann ich gemütlich aufstehen, packen, zum Frühstück gehen und dann – ja ihr glaubt es nicht! – kurz nach 10 bekomme ich die SIM-Karte - einfach so. Ohne Trinkgeld oder so. INDIA IS GREAT ist der Kommentar des Portiers. Hm – genau, wird schon so sein.
Ich radle mit Passpartu zum Shop des Anbieters und will die Karte laden. Ha – so einfach geht das nicht. Es ist zwar schnell geklärt, was ich für 5 GB Datenvolumen auf dem indischen 3G Netz bezahlen muss (ca. 15 Franken) aber kompliziert wird es, als ich noch Gesprächsguthaben für Anrufe nach Europa laden will. Herauszufinden, wie teuer eine Minute Telefongespräch nach Europa ist, dauert seine Zeit. Es kann auch kaum jemand Englisch im Shop. Ein alter Mann, der sein Büro auf der Sitzbank vor dem Shop hat – er schreibt für andere Menschen Briefe und liest ihnen die empfangene Post vor ... – auch das ist Indien im Jahr 2015 ... – übersetzt für mich und ärgert sich, dass die jungen Shopbetreiber kein Englisch können. Doch dann rufen sie einen Freund, der fliessend English kann. Der telefoniert dann mit der Hotline des Anbieters und dann wird klar: Bevor man mir sagen kann, was ein Anruf nach Europa kostet, muss man wissen, in welches Land in Europa ich anrufen will. Ich erkläre: SWITZERLAND! Aha – also wird die Hotline des Anbieters nochmals angerufen und nach einiger Wartezeit wird man da auch bedient und nach nochmals 1, 2 Minuten wird mir vor Ort dann die Frage gestellt, wo Switzerland denn liege. In Europa – antworte ich fassungslos – das sollte doch klar sein, nachdem ich gesagt habe, welches Land in Europa ich anrufen will...
Das Gespräch mit der Hotline wird beendet – mir wird mitgeteilt, dass es für Anrufe nach Switzerland keinen Tarifplan geben würde. Oh doch, ich können mit meiner SIM-Karte nach Switzerland anrufen – einfach würde es keinen Tarifplan geben. Was das heisst: Dass ich einen teureren Tarif bezahlen muss, wird mir erklärt. Und wie hoch ist dieser Tarif? Das weiss man hier nicht. Also muss man nochmals die Hotline anrufen. Ich verstehe nicht, wie Indien funktionieren kann, wenn die Menschen hier so wenig logisches Denkvermögen haben und diese Fragen nicht von sich aus IN EINEM GESPRÄCH mit der Hotline klären...
Es steht dann fest, dass Switzerland in Europe liegt und Anrufe dahin 13 Rupees – also 20 Rappen – pro Minuten kosten sollen. Hm – das kann ich zwar kaum glauben, denn das wäre ja supergünstig. Ich entscheide mich mal für ein grosses Gesprächsguthaben, welches auf meine Karte geladen werden soll. Alles wird mir auf einem Blatt Papier nochmals von Hand aufgeschrieben – und zusammengezählt – und und und und...
Und dann wird geladen – die Hotline nochmals angerufen – und und und und – und dann wird mir die Frage gestellt, vor der ich mich doch so sehr fürchtete: Woher hast Du die SIM-Karte, will man im Shop wissen. Ich frage zurück: Spielt das eine Rolle? Wir sind uns schnell einig, dass es keine Rolle spielt...
1.5 Stunden dauerte das Projekt „Gesprächs- und Dataguthaben auf SIM-Karte laden“. Wie auch immer. Der junge Mann, der gut Englisch spricht im Shop, hat mir dann noch seine Telefonnummer aufgeschrieben, falls ich Probleme haben sollte in Indien. Dann ist er mir auf seinem Motorrad zum nächsten Geldautomaten vorausgefahren, der nicht funktionierte, somit gings weiter zum übernächsten Automaten – und dann hat er mich durch schmalste Wege durch verschiedene Quartiere auf die Strasse NH 29 gelotst – NATIONAL HIGHWAY 29 diesem kann ich bis Varanasi nun folgen. Achtung: Darunter dürft Ihr Euch keine grossartige Strasse vorstellen. Guter Belag - das ist es dann aber auch. Zwei Spuren - eine schlechtere Schweizer Landstrasse ist hier ein National Highway. Es funktioniert!
Mein Ziel war Mau zu erreichen heute – doch das schaffte ich nicht, weil ich zu spät losfahren konnte und es gute 40 Kilometer vor Mau eindunkelt. Hm – wäre das mit der SIM-Karte etwas schneller gegangen, hätte es gut gereicht. Mist – so bin ich zwischen Stuhl und Bank, denn zwischen Mau und Varanasi soll es keine Unterkünfte mehr geben und ich bin zwischen Dohrigat und Mau gelandet heute Abend. Somit hätte ich Morgen entweder einen kurzen Tag bis Mau – oder einen SEHR langen von 150 km bis Varanasi. Wie auch immer – ich werde wohl den kurzen bis Mau wählen und dann übermorgen Varanasi erreichen.
Unterwegs komme ich mit einem jungen Motorradfahrer ins Gespräch – er ist 15, fährt einen Töff, der mir nach einer 125er ausschaut und lacht, als ich ihn nach dem Führerausweis frage. Einen solchen hat er nicht – hätten die wenigsten. In der Polizeikontrolle bezahle man 100 bis 200 Rupees – also maximal Fr. 3.20. Und in die Kontrolle komme man selten bis nie... Hm – das deckt sich mit meinen Erfahrungen auf indischen Strassen...
Als es eindunkelt suche ich mir eine Unterkunft. Im ersten Hotel zeigt man mir ein Zimmer für 1000 Ruppes – DRECKIGE Bettwäsche, kein warmes Wasser, dreckiges „Badezimmer“ – sonst nichts. Ich erkläre dem Besitzer, dass 1000 Rupees für ein solches Zimmer viel zu teuer wäre, ich hätte letzte Nacht im Hotel in Gorakhpur für ein picobello Zimmer inkl. TV auch 1000 Ruppees bezahlt. Frage für Discount – den will er nicht gewähren – ich versuche zu verhandlen – seine Antwort: NO ROOM!! Also kein Zimmer für mich. Hm, da stehe ich auf der Strasse – Mist, hat es hier noch andere Hotels – oder muss ich dann bei diesem Typen wieder ankriechen und das Zimmer doch mieten?? Ich hasse es, wenn man mich so bescheissen will – da scheint es mir immer, mein Gegenüber hätte den Eindruck, ich sei blöd... Locker finde ich quasi gegenüber ein anderes Hotel, wo man mir aber kein Zimmer vermieten will – man sei ausgebucht, was mich überrascht, was ich nicht glaube.... Haben sich die Besitzer abgesprochen? Bin ich jetzt paranoid?
Ich vertraue darauf, was anderes zu finden – frage auf der Strasse nach – und siehe da ca. 6 Kilometer weiter kriege ich für 850 Rupees ein tiptop Zimmer. Saubere Bettwäsche, warmes Wasser, Strom – was will Mann mehr? Glück gehabt!!
Bitte versteht mich nicht falsch, wenn ich Euch das so beschreibe. Es geht mir nicht um die 2 Franken, die ich gespart habe. Es geht mir darum, dass ich gerne in einem optisch sauberen Bett schlafen und mich auch an einem optisch sauberen Ort waschen möchte. Oder dann aber in einer Absteige übernachte, wo ich auch schon mal meine eigene Luftmatratze aufblasen und am Boden schlafen kann – dann aber auch den Preis für die Absteige bezahle. Ich will einfach fair behandelt werden – ausser, es gibt wirklich nichts anderes, dann fresse sogar ich in der Not fliegen... Und Inder haben eine auf mich so „rüppelhaft“ wirkende Art, wenn sie mit etwas nicht einverstanden sind – das macht es mir nicht immer einfacher... Und sie wirken schnell mal überheblich auf mich, wenn sie mit mir verhandeln. Das sind halt Kutlurunterschiede - in Nepal war alles viel mehr auf Augenhöhe - viel sanfter - und ich wurde wohl auch viel eleganter "beschissen"...
So, nun gehe ich essen.
Es war ein langer Blog, ganz ohne Bilder, den ich Euch über mein Handy rauflade. Bilderkommen frühestens in Varanasi – wo es WiFi-Orte geben soll... Bilder schafft mein Handy-Hot-Spot nicht...
Indien ist, so scheint es mir auch nach dem heutigen Tag, gegenüber Nepal in vielerlei Hinsicht im Rückstand! Auch in existentielleren Dingen, als der WiFi-Dichte... Indien ist aber halt Indien - unbeschreiblich - unfassbar - Indien ist eben Indien - man liebt oder hasst Indien - wer noch nie hier war, muss das unbedingt nachholen...!!
Herzlich in die Welt hinaus
Patrik Kirtap
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