Liebe Alle
16. März 2016
Nein, nein – Passpartu und ich haben nicht schon wieder gleichzeitig die Bodenhaftung verloren...
Päng machte es und der Ausreisestempel des Thai-Zolls prangte in meinem Pass. Am 29. Januar 2016 bin ich zusammen mit Karin und Fritz in Thailand eingereist – am 16. März 2016 reiste ich alleine aus. Hiessen die Lieblingsdrinks in Bangkok noch Zombies, hiessen sie an der Strandbar in Bang Sapahn Mai Tai.Von der geschichtsträchtigen Brücke am Kwai über das auf mich krass dekadent wirkende Siam-Einkaufscenter in Bangkok mit all seinen Luxusartikeln – ok, ich war sehr dankbar, dort ein Ladegerät für mein MacBook zu finden! –, dem vielleicht auch etwas dekadenten Fleischabendessen mit Bruno aus Bern hin zur Auflösung der Kleinfamilie mit Karin und Fritz und der Fortsetzung meiner Reise als „Soloradler“ mit schönen Aufenthalten an wundervollen Stränden in Thailand und natürlich der definitiven Zusage für meine Wohnung in Bern habe ich seit dem 29. Januar 2016 hier in Thailand sehr viel erleben und erfahren dürfen. Eine schöne Zeit war’s – eine sehr schöne Zeit! Ich habe das für Westler und „Budgetradler“ hervorragende Preis-Leistungs-Verhältnis in Thailand sehr genossen und gute Leute getroffen!
Päng machte es und wenige Minuten bzw. Meter später prangte auch der Einreisestempel des zweitletzten Landes auf meiner Reise, welches mir einen Stempel in meinen Pass „knallen“ wird, in meinem Pass: Malaysia!
Es wird noch ein Ausreiestempel aus Malaysia und der Ein- und Ausreisestempel von Singapur in meinen Pass folgen – in Europa gibt’s dann leider keine Stempel mehr...
Der Grenzübertritt war also absolut problemlos. Das einzige Problem war, dass ich die Grenze beinahe verfehlt hätte. Ich habe mich nämlich entschieden, mein Thaimünz noch in eine Cola zu investieren und die Verkäuferin im Laden sagte mir, die Grenze komme in 2 Kilometern. Entsprechend war ich etwas überrascht, als die Grenze dann schon nach 200 Metern kam und die Zufahrt auf mich wirkte, als ob sie auf ein Fabrikgelände führen würde...
In Malaysia herrscht auch Linksverkehr. Gut so – Passpartu und ich sind uns da ja zwischenzeitlich recht gut gewöhnt!
Im Städtchen hinter der Grenze auf Boden Malaysias will ich bei der Bank Geld wechseln. Doch die wechseln kein Geld – ich muss zur Geldwechslerin hinter dem Taxistand, um meine (viel) zu vielen Baht aus Thailand in die Lokale Währung Ringgit zu wechseln. Die Geldwechslerin, eine ältere, eher schrullige Frau, finde ich nach mehrmaligem Fragen in ihrem Büro – also hinter ihrem Pult in einer Art Garage, wo noch Kartonschachteln voller mir unbekannter Waren umge- und verpackt werden. Sie ist Multitasking gewohnt – bespricht mit mir meine Transaktion und schnauzt zwischendurch immer mal wieder ihre ausschliesslich weiblichen Mitarbeiterinnen an, so wie sich das in der Schweiz niemand gefallen lassen würde... Hoppla, die Sanftmütigkeit der Thais ist in Myanmar offenbar nicht so zu spüren...
Die Geldwechslerin findet es spannend, dass ich mit dem Velo unterwegs bin, bietet mir eine Flasche Wasser und einen Maiskolben zum Mittagessen an. Warum nicht, sie macht sicher ein gutes Geschäft mit mir...!
Nun, von einem Maiskolben werde ich nicht satt und daher beschliesse ich, definitiv zum Restaurant zu fahren, welches mir das Radlerpaar aus England gestern beim Sirupstand empfohlen hat. Es soll sechs bis sieben Kilometer hinter der Grenze liegen – auf meiner Seite der Strasse. Also rolle ich los – und finde das Restaurant auch problemlos auf dem Campus der Universität.
Kaum habe ich Passpartu vor dem Restaurant geparkt, werde ich von einer Mitarbeiterin schon herzlichst begrüsst – also würde ein Stammgast von einer langen Reise heimkehren. Ich solle essen, was ich wolle! OK – das mache ich in einem Restaurant eigentlich immer so – also, ich suche aus, was ich gerne essen möchte und bestelle dann... Den Hintergrund dieser Information verstehe ich erst, als mir das Essen von einem jungen Mann an den Tisch gebracht wird, der mir erklärt, das Essen sei umsonst! Seine Familie und er wären Couchsurfer und würden alle Reisenden auf der Strecke kostenlos verpflegen. Wenn ich möchte, würde er mit seinem Vater schauen, ob ich auch hier übernachten könnte. Ha, was für eine Überraschung! Die Engländer haben mir schon etwas von Couchsurfing erzählt, das aber nicht funktioniere, daher hätten sie eine Unterkunft unweit des Restaurants vermittelt bekommen – von Gratisessen haben sie mir nicht berichtet. Tja, warum nicht hier übernachten. Es ist zwar noch eher früh am Nachmittag – aber in die Nächste Stadt sind es noch 70 Km – das ist zu viel für heute Nachmittag und was unterwegs kommt, weiss ich ja nicht. Somit wird der Vater der Familie gerufen, der mit mir plaudert und mir dann im Verlauf des Gespräches eröffnet, ich dürfte also in seinem Trainingsraum übernachten. Das sei ein einfacher Raum, aber es habe WC und Dusche. Essen könnte ich so viel ich wolle rund um die Uhr im Restaurant. Ja, sein Restaurant auf dem Campus für 4000 Studenten sei 24/24 Stunden geöffnet. Er biete mir das für maximal drei Tage an! Ich bin mal wieder sprachlos über so viel unerwartete Gastfreundschaft. Der Vater stellt sich als gläubiger Sunit/Muslim vor, erkundigt sich nach meiner Religion etc. – und meint: Alles doch gar kein Problem. Wir brauchen einzig Respekt – dann können alle Religionen und Kulturen zusammen leben! Diese Einstellung gefällt mir!
Der Vater zeigt mir also seinen Trainingsraum. Dort unterrichtet er Silat – das ist eine traditionelle „Kampfsportart“, die es so offenbar nur in Malaysia gibt. Er zeigt mir nicht ohne Stolz Videos seiner Studenten aus der ganzen Welt – auch aus Europa! Er ist Grossmeister in dieser Sportart und wird schon mal nach Europa als Trainer eingeladen. Der Raum ist absolut OK als Nachtlager. Einfach - aber alles ist da, was ich brauche. Ich kann mich duschen – nach Thailand ist die „Eimerdusche“ mal wieder etwas gewöhnungsbedürftig – aber erfrischend. Nachdem ich mein Gepäck in den zweiten Stock des Gebäudes getragen, Passpartu im Treppenhaus sicher an seinen Schlafplatz gestellt und mich geduscht habe, wird mir eine willkommene Ruhepause verordnet – auf einer dünnen Decke auf dem Boden. Ich blase mir dann im Verlauf des späteren Nachmittags meine Luftmatratze auf und denke schmunzelnd an meinen Blog von gestern Abend und wie ich die Luftmatratze dann auch in meiner Wohnung in Bern aufblasen werde. Es gefällt mir extrem gut, mal wieder so improvisiert zu übernachten. Thailand war da schon viel gepflegter – was mir natürlich auch gefallen hat. Doch hier als Couchsurfer improvisiert zu übernachten steigert nicht nur das Reisefeeling – es weckt auch viele tolle Erinnerungen an Zentralasien, Nepal, Indien – wo ich nebst allen Strapazen immer gute Schlafplätze hatte, was mir rückwirkend fast wie ein Wunder erscheint!
Der Vater und zwei seiner sechzehn Enkelkinder werden auch im Raum übernachten – und dann sind da noch Frauen und Männer, die in einfach abgetrennten Abteilen/ Räumen übernachten werden. Es sind wohl Familienangehörige, welche nachts im Restaurant arbeiten.
Nach dem Nachtessen fahren wir einige Kilometer in ein kleines Dorf hinaus, wo der Sohn des Gastgebers Kinder in Silat unterrichtet und der Vater als Grossmeister natürlich auch ein anerkannter Instruktor ist. Mädchen und Knaben trainieren zeitgleich und räumlich nicht getrennt – aber in sep. Gruppen.
Anschliessend „muss“ ich nochmals was essen und trinken im Restaurant und komme mit Studenten aus dem arabischen Raum ins Gespräch. Es friert mich, in die neugierigen Augen eines Studenten aus Palästina/Gaza zu schauen, der mich über meine Reise und die von mir bereisten Länder und das Leben in Europa ausfragt – und mir sagt: Mit seinem Pass könne er ohne Visa einzig nach Venezuela und Malaysia reisen. Und ein Visum nach Europa könne er zwar beantragen – das Verfahren würde aber ewig dauern – und in den allermeisten Fällen in einer Ablehnung des Antrags enden – es sei quasi aussichtslos für jemanden mit dem Pass seines Landes zu reisen, die Welt sehen zu dürfen... Er sei – wie alle seine Landsleute – ein Gefangener im eigenen Land. Ein Freund von ihm habe versucht, nach Europa auszuwandern – hätte aber kein Visum bekommen. Dann sei er über Lybien mit dem Schiff übers Meer nach Europa geflüchtet und in Schweden aufgenommen worden. Er meint, es sei doch eine verrückte Welt, dass man sein Leben risikieren müsse, um in einem Land aufgenommen zu werden, welches vorher ein ordentliches Visum abgelehnt habe. Was will ich dazu sagen? Ich, der durch die Welt gondelt und überall problemlos Unterkunft und Essen bekomme, "genug Geld" und einen Pass habe, der "alle Türen öffnet". Mir bleibt einzig zu sagen, ich hätte grosses Glück gehabt, in der Schweiz geboren worden zu sein...! Ja, ich hatte wirklich grosses Glück, sehr grosses Glück – wie alle Schweizerinnen und Schweizer!!
17. März 2016
Die Nacht war kurz – ich habe den Schlaf schlecht gefunden – und am Morgen klingelte der Wecker artig früh, damit ich möglichst früh vor der grossen Hitze los konnte. Nach einem kleinen Frühstück und einer sehr herzlichen Verabschiedung von meinen Gastgebern radle ich los, will in Kangar noch eine Strassenkarte von Malaysia kaufen. Der Vater hat mir gestern eine tolle Skizze gemacht, mit der ich die Buchhandlungen in der Stadt sofort finde – doch keine hat eine Strassenkarte im Angebot. Gibt es offenbar einfach nicht... Tja, so orientiere ich mich an GoogleMaps – sofern ich WiFi finde – und sonst halt an den Ortsnamen, welche ich ansteuern muss, um auf meiner Route nach Süden zu kommen. Die habe ich mir aufschreiben lassen - ... Und in Malaysia sind die Strassen wiederum gut nummeriert und die Ortsnamen ausgeschildert. Kein Problem – und doch gibt eine Strassenkarte halt eine gewisse Übersicht. Ich dachte ja, in Bangkok das Kartenmaterial für meine Weiterreise zu finden – ist mir nicht gelungen. So radle ich halt mit der „Weltkarte“, welche mir mein Vater nach Bishkek gebracht hat und frage mich durch. Alles kein Problem. Bei einer Tankstelle von Petronas – inkl. grossem Tankstellenshop – frage ich nach, ob sie auch Strassenkarten hätten. Das Unternehmen, welches im ehemals höchsten Gebäude der Welt residiert, wird doch Strassenkarten im Angebot haben. Ich irrte...!
Auch heute bewältige ich mein Tagesprogramm problemlos – obwohl mir die Hitze gegen Ende der Etappe hart zusetzt. Ich gönne mir eine „Abkühlpause“ bei eisgekühltem Kaffee in einem kleinen Restaurant entlang der Strasse. Ich bin– nebst einer Mutter mit ihrem ca. 10jährigen Sohn – der einzige Gast. Die Mutter trägt die traditionelle Kopfbedeckung, ein knöchellanges Kleid dazu. Beide schauen immer mal wieder zu mir rüber und ich weiss nicht, wie ich ihre Blicke einstufen soll. Ich entscheide mich, die Frau bzw. ihren Sohn nicht anzusprechen. Ich vermeide es, traditionell gekleidete Frauen auf der Strasse oder in einem Restaurant anzusprechen. Ich vermute, Mutter und Sohn könnten über meine engen Velohosen irritiert sein. Sie brechen dann, ohne mit mir zu sprechen, vor mir auf und als ich bezahlen will, erklärt mir der Wirt, meine Getränke wären bereits bezahlt. Mutter und Sohn haben mich also zu meinen beiden Kaffees eingeladen. Das freut mich sehr – leider kann ich mich nicht bedanken, da sie schon weg sind und ich das gar nicht mitbekommen habe. Auch heute zeigt sich mir Malaysia sehr gastfreundlich. Nach Thailand noch etwas gewöhnungsbedürftig, dass fast alle Frauen hier wieder Kopftuch und „blickdichte“ Kleidung tragen.
Der Verkehr in Malaysia ist bisher übrigens noch viel angenehmer als in Thailand. Die Autofahrer noch rücksichtsvoller. So rollt es sich angenehm Singapur entgegen. Bis dahin sind es nur noch knappe 1000 Kilometer.
Am Abend quartiere ich mich in einem Hotel ein. Es soll WiFi haben – und so ist es auch. Doch ich realisiere schnell, was mein Gastgeber gestern Abend meinte, als er mir sagte, Malaysia sei viel teurer als Thailand: In Malaysia bekommt man für das gleiche Geld deutlich schlechtere Qualität als in Thailand. So gesehen war Thailand eben deutlich günstiger... Es ist nun, wie es ist – oder wie Fritz immer zu sagen pflegte: Am Ende kommt alles GUT – und ist es noch nicht GUT, dann ist es noch nicht das Ende...!
Zufrieden und entspannter als auch schon in die Welt hinaus.
Patrik Kirtap
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Osch (Donnerstag, 17 März 2016 16:44)
Dieses Zitat:
"Am Ende wird alles gut,
Und ist es nicht gut,
dann ist es noch nicht das Ende"
stammt leider nicht von Fritz sondern von Churchill