UND DIE POLIZEI HOLT MIT BLAULICHT PIZZA...

 

Liebe Alle

Die letzten Tage habe ich auf dem Velo oft auch Peter Reber gehört - Musik die mich halt seit ewig begleitet - mit Peter, Sue und Marc schon seit Kindertagen...

Dass eine Textpassage aus Bahamamama mir aber dann mal ganz konkret zu Ruhe und Geleassenheit verhelfen würde, hätte ich so doch nicht gedacht...

Inhaltlich und sprachlich sinngemäss übersetzt lautet die Strophe wie folgt:

 

Und die Polizei holt mit Blaulicht Pizza

So zeigt jeder seine Macht

Würde einer dieser Herren schwitzen, 

wär's geschehen um seine ganze Pracht

 

Doch alles der Reihe nach...:

Gestern bin ich in Avila angekommen. Eine sehr schöne Altstadt mit einer beeindruckenden alten Festungsmauer. Da haben sie sich aber früher heftig eingeigelt, die Bewohnerinnen und Bewohner Avilas!

Lade dann mal noch Fotos hoch.

 

Heute Morgen bin ich nach dem Frühstück gemütlich losgeradelt. Durch die Stadt, immer den Wegweisern der N110 folgend in Richtung Segovia. Da werde ich plötzlich von der Polizei angehalten. Ein Streifenwagen drängt mich ab. "Was soll das nun? Was habe ich falsch gemacht? Ich bin doch einfach mit dem Verkehrsfluss gerollt, keine rote Ampel überfahren, da war doch gar keine Ampel auf dem Weg - oder doch?" solche Fragen schiessen mir durch den Kopf. 

 

Es ist die Policia Nacional. Zwei in schwarzer Uniform gekleidete Polizisten steigen aus. Der eine baut sich vor mir auf und ich befürchte, dass er beim nächstem Atemzug platzt, so plustert er sich auf. Sein Kollege stellt sich seitlich hinter mich.

Der vor mir stehende Polizist redet "voll garacho" auf mich ein. Ich bitte ihn auf Englisch, langsamer zu sprechen, erkläre, ich könne kein Spanisch. Da erklärt er mir, dass ich hier in Spanien sei und er daher mit mir Spanisch spreche - diese Aussage unterstreicht er, indem er mit dem Zeigefinger seiner rechten Hand sehr deutlich auf den Boden zeigt: HIER IST SPANIEN!

Da ist für mich sofort klar: Da muss sich einer profilieren und wohl seine schlechte Laune oder sonst ein Problem an mir abbauen und/oder seinem Kollegen zeigen, wie man mit Touristen umgeht...

Also Bambiblick aufsetzen und den Unterwürfigen spielen, Sonnenbrille, Helm und Sonnenschutztuch absetzen... 

Sorgfältig frage ich ihn, ob er Fanzösisch oder Deutsch spreche. NEIN - SPANISCH! 

Ja, ist ja gut...

Und die Polizei holt mit Blaulicht Pizza... - diese Strophen fallen mir spontan ein, ich summe sie innerlich und muss aufpassen, dass ich dabei nicht zu lachen anfange. Aber diese Szene passt so genau zur Textpassage oder umgekehrt...

Dann werde ich über das von mir begangene Delikt aufgeklärt:

Ich habe Fussgänger gefährdet. 

Aha? Wo? Wie?

Ich sei über einen Fussgängerstreifen gefahren, obwohl am Strassenrand Fussgänger gewartet hätten, um den Streifen zu überqueren!

Das erkärt er mir auf Spanisch - langsam - ich glaube ihm sinngemäss folgen, ihn verstehen zu können!

Das wird mir nun aber doch zu bunt, zu dumm sogar! Verdammt! Ich bin mit dem Verkehrsfluss gefahren. UND: Die Fussgänger standen auf der anderen Strassenseite und dazwischen war noch eine Fussgängerinsel in der Strassenmitte! Wie soll ich da jemanden gefährdet haben??? Sollte ich unter solchen Umständen tatsächlich eine Gefahr für Fussgänger gewesen sein, dann bekomme ich langsam aber sicher Angst vor mir selber!!

Warum hält man nur mich an?  Warum nicht auch all die Autofahrer, die vor, mit und nach mir über den Fussgängerstreifen gerollt sind - he? Weil ich ein Tourist bin??

Der Polizist will mit mir nicht diskutieren. Er sorgt hier schliesslich für Recht und Ordnung und definiert wohl auch grad selber, was Recht und Ordnung ist.

Und nun will er den Pass sehen, aber dallidalli!

Meine Personalien werden via Funk an die Zentrale durchgegeben. Von dort kommt dann die Information, dass alles OK sei. Ich bin also noch nicht zur Verhaftung ausgeschrieben - gut zu wissen...

Und die Polizei holt mit Blaulicht Pizza...

Immer wieder summe ich diese Zeilen innerlich für mich - um Ruhe und Gelassenheit zu behalten...

Der zweite Polizist plaudert zwischenzeitlich mit Passanten - ich verstehe nur etwas von "Respekt" - ja den vermisse ich! Aber wahrscheinlich werden die Passanten informiert, dass ich die Verkerhsregeln nicht respektiert hätte und daher kontrolliert würde - und die beiden Herren können in ihrer Heimatstadt auch gleich zeigen, wie mächtig und wichtig sie sind... Ich muss mich wirklich beherrschen... Unglaublich - ich fühle mich echt ausgeliefert und absolut unfair behandelt! Beamtenwillkür! Damit umzugehen habe/hätte ich auch in der Schweiz grösste Mühe - nur könnte ich mich da wenigstens verbal wehren...

Und die Polizei holt mit Blaulicht Pizza...

Dann darf ich weiterfahren. Doch bevor ich losfahre noch das: Zum Abschluss erklärt mir der Polizist, der sich vor mir so aufgeplustert hat - in fast perfektem Englisch!! - wenn ich in Spanien nochmals die Verkerhsregeln verletzten würde, würde Passpartu von der Polizei konfisziert und ich könne selber schauen, wie ich dann heimkäme, in die Schweiz! Er sei übrigens schon 2x in der Schweiz gewesen - da habe keiner mit ihm Spansich geredet und solange er  Polizist in Spanien sei, spreche er Spanisch - auch mit mir!

Da muss ich mich wirklich beherrschen. Da lässt der mich sprachlich auflaufen und verabschiedet mich dann in gutem Englisch auf diese Art und Weise und erzählt noch, in der Schweiz habe mit ihm auch niemand Spanisch gesprochen - ARROGANZ PUR! UNGLAUBLICH! ICH GLAUBE ZU TRÄUMEN! Aber es ist bittere Realität! Nichts ist übertrieben - alles habe ich so erlebt... In "totalitären" Staaten hätte ich so eine Situation erwartet - wie damals die Personenkontrolle, die Pa und ich in Bishkek über uns haben ergehen lassen müssen - aber im zivilisierten Westeuropa bin ich darüber doch sehr überrascht...

Ich bin sehr zufrieden mit mir, dass ich so lange so ruhig bleiben konnte - das Risiko, dass Passpartu von so einem Willkürpolizisten konfisziert wird, hat mich wohl einfach ruhig bleiben lassen... 

Hatte ich in Portugal noch Polizeikontakt, weil ich auf der falschen Strasse unterwegs war und damit offensichtlich, wenn auch unbewusst, einen Fehler begangen habe, hatte ich nun solchen, ohne mir einer Schuld bewusst zu sein, ohne eine solche erkennen zu können - noch wenn ich möchte! Ich hasse Willkür - in der Schweiz und auf der ganzen Welt!

Wenn das so weitergeht, werde ich in Frankreich meine erste Busse auf der ganzen Reise bezahlen und in der Schweiz dann wohl direkt eingebuchtet werden... 

Und die Polizei holt mit Blaulicht Pizza...

 

Überangepasst fahre ich durch die Stadt, folge immer den Wegweisern N110, prüfe vor jedem Fussgängerstreifen ob ich jemanden gefährde und gebe besser Handzeichen, als spanische Autofahrer blinken...

Da endet die Route der N110 doch tatsächlich plötzlich in der Auffahrt zur Autobahn und da steht ein grosses Schild, wonach der Langsamverkehr (Velo und landwirtschaftliche Fahrzeuge inkl. Fuhrwerke) nun verboten ist, was mir absolut einleuchtet.

Ja und wo ist nun die N110? Da kommt mir das Erlebnis mit der Polizei wieder hoch. Da werde ich - nach meinem Empfinden - willkürlich schikaniert und dann ist man in Spanien nicht mal in der Lage die N110 so zu führen/zu signalisieren, dass der Langsamverkehr auf ihr durchgehend fahren könnte. Bin ich in einer Bananenrepublik gelandet? Ich muss aufpassen, nicht unfair zu werden! Denn die Menschen, denen ich auf meiner Route auf der Strasse, in Läden, Restaurants etc. begegne, sind alle sehr fröhlich, höflich, hilfsbereit!

Ich muss aber auch aufpassen, nicht paranoid zu werden. Denn nach der Auffahrt auf die Autobahn steht ein Streifenwagen der Polizei. Ob das meine Freunde von eben sind, die nur darauf warten, dass ich hier auf die Autobahn fahre, damit sie mich wegen eines erneuten Regelverstosses anhalten und Passpartu konfiszieren können?

Ne! Diese Freude bereite ich Euch nicht!

Ich fahre zurück. Frage zwei ältere Spaziergängerinnen. Die erklären mir, ich soll auf die Autobahn. Nach ca. 500 Metern könne ich diese auf die N110 verlassen. Ich erkläre ihnen, dass da ein Verbot sei. Sie lachen. Erklären mir in Spanisch/Französisch, ich soll das nicht so eng sehen, es sei nur ein kurzes Stück, welches ich auf der Autobahn fahren müsse - es haben einen Pannenstreifen - das machen sie mir sehr engagiert und mit Handzeichen begreiflich...

Ich entscheide wieder Richtung Stadt zu fahren. Da war doch eine grosse Polizeistation. Die sollen mir da nun mal erklären, wie ich der N110 folgen soll, wenn diese in die Autobahn mündet. Wenn sich da jemand mit mir verständigen kann/will.

Es stellt sich heraus, dss die Polizeistation die Polizeischule der Policia Nacional ist. Gut! Dann können die mir grad mal zeigen, was sie da so lehren/lernen...

Vor dem Checkpoint/der Einfahrt zum Areal spreche ich zwei Herren in Zivil an. Der eine spricht gut Englisch, kennt sich in der Gegend aber nicht aus, wie er mir gleich erklärt. Der andere kann nur Spanisch, kennt sich aber offenbar sehr gut aus in der Gegend. Die beiden hören sich mein Problem aufmerksam an und diskutieren engagiert gemeinsam. Dann erkären sie mir, ich soll so fahren, wie die beiden älteren Damen es mir auch schon gesagt haben. Ich erkläre ihnen, dass ich das nicht tun würde, weil ich eben Stress mit der Policia Nacional gehabt hätte und die mir beim nächsten Regelverstoss Passpartu einziehen würden und bei der Autobahneinfahrt ein Streifenwagen gestanden habe. Es müsse doch einen anderen Weg geben, um auf der N110 nach Segovia zu kommen. Da lachen die beiden und meinen, ich solle die Kontrolle nicht so dramatisch nehmen. Keiner würde mir Passpartu wegnehmen! Ich soll die 500 Meter auf dem Pannenstreifen fahren und dann im ersten Kreisel auf die N110 abzweigen - das sei alles kein Problem!

Ich beharre darauf, dass es noch einen anderen Weg geben müsse. Grosse Diskussion - gestikulieren - ... - ... . Dann die Lösung: Ich soll ins Quartier fahren und dort die Autobahn unterqueren, also durch den Tunnel für Fussgänger und danach rechts und auf den Feldwegen bis ins nächste Dorf. Dort dann auf die N110. Das sei alles korrekt!

OK - das ist doch eine Ansage! So mache ich es dann auch. Bedanke mich herzlich für den Support. Zum Abschied klopfen mir die beiden "väterlich/kollegial" auf die Schultern und wünschen gute Fahrt und lachen, dass ich so eingeschüchtert bin, nach der Kontrolle in der Innenstadt...

Hm - hier nimmt sich wohl niemand so wirklich ernst - auser der Herr Polizist, der mich kontrolliert hat sich selber...

Ich finde den Weg über die Feldwege und dort, wo ich auf die N110 stosse, steht ein nettes Restaurant, wo ich mir auf den Ärger zuerst mal zwei Milchkaffes gönne...

Ich bin sehr irritiert über das Verhalten der Polizei in der Innenstadt. Vor allem, dass die mich sprachlich so haben auflaufen lassen, verzeihe ich den beiden Polizisten nicht. Die haben ihre Macht ausgelebt, sich zelebriert - auf meine Kosten. Das finde ich einer Policia National unwürdig - aber andere Länder, andere Sitten. Ich bin mir durchaus bewusst, dass die Polizei sich in der Ausübung ihrer Pflicht nicht immer Freunde schafft und sie keinen leichten Stand hat bzw. Polizisten keinen leichten Job haben - aber so dann doch nicht! 

Segovia erreiche ich gegen 16.30 Uhr, kurz bevor der Regen wirklich einsetzt, welcher sich auf den letzten Kilometern mit immer schwereren Tropfen angekündigt hat. Sandy habe ich vorsorglich in den Regenschutz gepackt, den ich in Lissabon für mein Handy gekauft habe - so war diese Investition schon mal nicht umsonst - im doppelten Wortsinn... Sie findet den Weg zu meinem Hotel in der historischen Innenstadt problemlos. Hier bleibe ich zwei Nächte - ein Ruhetag...

Morgen soll es schon wieder schönes Wetter geben - dann möchte ich die Stadt etwas besichtigen. Es gibt hier offenbar sehenswerte römische Bauwerke... Die Römer hätten sich wohl auch hier nie erträumt, dass ihre Bauwerke einmal Touristenmagnet sein könnten und eine spanische Kleinstadt finanziell am Leben erhalten würden...

Herzlich in die Welt hinaus - vielleicht gehe ich heute Abend zu Ehren der Policia Nacional Pizza essen... ;-)

Herzlich in die Welt hinaus!
Patrik Kirtap

 

 

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Katja (Mittwoch, 27 April 2016 19:24)

    Hallo Patrik
    Habe soeben wiedermal deinen Blog nachgelesen. Ja, da fährst du um die halbe Welt und "erst" in Westeuropa gibt's Ärger mit der Polizei... Wir sind weiterhin gut unterwegs und denken oft an dich. Zum Beispiel heute, als wir den ganzen Tag im Vollschiff gefahren sind (der Kirtap hat doch gesagt, der letzte Regen war in Bulgarien?) oder vor wenigen Tagen, als wir in drei Tagen drei Schlangen gesehen haben (ok, eine war immerhin tot;-)). Bei uns geht es nun noch für einen kurzen Abstecher nach Georgien und dann steht schon bald der Iran auf dem Programm. Wir sind gespannt! Dir weiterhin gute Fahrt. Auf dem Camino de Santiago war ich übrigens auch;-). Liebe Grüsse von der Schwarzmeerküste Katja

 

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