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Ich melde mich aus Coruche - eigentlich direkt hinter Lissabon...
Gestern bin ich ja in Lissabon gestartet. Frohen Mutes habe ich bei Sonnenschein die Fähre nach Montijo erreicht und dort an der Tankstelle beim grossen Supermarkt - der Supermarkt war auch am Sonntag geöffnet...!!! - noch Bezin für den Kocher getankt - man weiss ja nie. Statt "Chinesischer-Instantnudeln" - solche konnte ich im Supermarkt in Lissabon in meinem Quartier nicht finden... - habe ich nun für alle Fälle Knorr-Suppen im Gepäck. Die lassen sich ja noch einfacher zubereiten, falls ich in der Pampa stranden sollte...
Den Weg aus Montijo raus finde ich nur schwer. Sandy ist keine wirkliche HIlfe, da sie mich immer auf die Autobahn schicken will. Doch dann erreiche ich endlich die Strasse N 118 und folge ihr fröhlich - so fröhlich, dass ich die Abzweigung auf die N 119 verpasse. Das merke ich erst relativ spät - also zu spät. Umkehren macht keinen Sinn. Ich habe einen Verfahrer von um die 40 Km oder so im Tagesprogramm, welcher mich grad ärgert und doch kommt schlussendlich alles gut. Die Landschaft ist - wie Landschaft halt ist - ländlich. Entlang der Strasse stehen kleine Ort, die auf mich sehr verlassen, verarmt erscheinen. Mir fällt auf, dass die Weiden und Wälder entlang der Hauptstrasse alle eingezäunt sind. Es dürfte also nicht gaz einfach werden, einen guten Platz für wildes campen zu finden in den nächsten Tagen - und Pensionen in diesen "komischen" Ortschaften dürften auch nicht dicke gestreut sein...
Ich erreiche Coruche - mein eigentliches Tagesziel liegt aber noch um die 30 Km weiter. Doch der Himmel überzieht sich, der Wind wird mehr, ich bin müde, habe doch gute 90 km in den Beinen - und ich entscheide mich, in Coruche abzusteigen, die 30 km nicht mehr zu fahren. Ich finde ein erstaunlich modernes Hotel in diesem Nest - nicht günstig, aber auch nicht teuer. Und leiste mir nach fast zwei Wochen Massenschlag in Lissabon ein Einzelzimmer. Wunderbar - mal wieder eine ruhige Nacht und ein WC für mich alleine, ohne anstehen zu müssen, ohne am Morgen lauern zu müssen, ob ein WC oder eine Dusche frei wird...
Nach der Dusche zeigt sich der Himmel von seiner schönsten Seite: Blau und sonnig. So schnell kann das Wetter hier also wechseln...
Also schnell mit dem MacBook ins Café neben dem Hotel und dort per Skype ein Telefongespräch mit meinen Eltern. Mit meinem Vater kläre ich noch die letzten technischen Hürden für die Publikation seines Gastblogs. Ich habe vergessen, ihm die notwendigen aktuellen Instruktionen zu kommunizieren - und so stolpert er bei der Publikation über die veränderte Hintergrundstruktur von www.kirtap.ch. Am Telefon ist das aber alles schnell geklärt. Er ist in Embrach/Schweiz im Blog - ich in Coruche/Portugal einige tausend Kilometer südlicher - und gemeinsam turnen wir in der Struktur von www.kirtap.ch rum, die er sofort versteht und den Blog online stellen kann. Tja - wie hat die Welt vor Internet funktioniert... ??
Im Verlauf des Vorabends merke, dass ich mich zunehmend matter, müder, ausgelaugter fühle - grippig, leer. Gerne würde ich meinen Aufenthalt hier um einen Tag verlängern. Aber die Reception hat schon geschlossen. Niemand erreichbar. So gehe ich mal zum frühen Nachtessen in das Lokal gegenüber. Lecker sage ich Euch: Feinstes Fleisch in Senfsauce mit sauer eingelegtem Gemüse und dazu Pommes. Was will der Radler mehr?
Heute Morgen stehe ich dann zeitig auf und an der Reception kann ich eine Nacht verlängern. Das ist gut so. Ich lege mich nochmals hin und döse bis kurz vor 10 Uhr und stresse dann zum genial schönen Frühstücksbuffet, welches hier eben bis 10 Uhr serviert wird. Frischer Organgenschaft gehört genau so dazu, wie Kokoskuchen, verschiedene Brote, Fleisch und "Industriekäse" und dazu gibt es richtig guten Cafe aus der Nespressomaschine - mit "gefälschten Kapseln". Und alles an einem schön gedeckten Tisch. Eine ganz andere Welt, als die Welt der Hostels, die ich auch sehr mag oder die Frühstücks im Orion in Lissabon, was auch immer stimmig war. Ein so gepflegtes Frühstück in ruhiger, gepflegter Umgebung - hat schon was!! Wunderbar.
Nach dem Frühstück lege ich mich wieder hin. Schlafe bis gegen 13 Uhr Lokalzeit und mache mich dann auf zu einem Spaziergang durch Coruche - brauche eine Tube Zahnpasta - mein Projekt für heute Nachmittag...
Ein schöner, gleichzeitig komischer Ort, dieses Coruche. Irgendwie scheint sich hier Aufschwung bemerkbar zu machen - und gleichzeitig scheint der Niedergang des Ortes definitiv eingeläutet... Es entstehen neue, moderne Orte wie mein Hotel oder die schöne Cafébar nebenan. Es gibt schön renovierte Häuser - gleichzeitig verfallen viele Häuser. Sinnbildlich finde ich für mein "Orts-Gefühl", welches ich für Coruche entwickelt habe, dass der Kindergarten des Städtchens direkt gegenüber des Bestattungsinstitutes liegt - Zukunft und Abschied liegen hier also ganz na zusammen...
Auf meinem Spaziergang treffe ich mehrheitlich alte Leute. Einige Häuser stehen leer und viele zum Verkauf. Ebenso Ladenlokale, die auf neue Unternehmer warten.. Die Suche nach einem Supermarkt gestaltet sich schwierig. So entscheide ich mich, meine Zahnpasta halt in einer der erstaunlich vielen Apotheken zu beschaffen, die in Coruche angesiedelt sind - ich komme an mindestens vier Apotheken vorbei! Als die Verkäuferin aber für eine Tube Zahnpasta ganz selbstverständlich 7.30 Euros - also über SIEBEN Euros - will, entscheide ich mich, doch lieber weiter nach einem Supermarkt zu suchen - oder die Zähne heute halt nicht mehr zu putzen und die Tube auf dem weiteren Weg zu beschaffen. Die Verkäuferin reagiert säuerlich, als ich ihr erkläre, dass sei viel zu teuer... Und gute 10 Minuten später finde ich ein Tante-Emma-Lädelchen, wo ich zu einem vernünftigen Preise meine Zahnpasta bekomme. 7 Euro - Hallo?! - ich erhole mich kaum - wer hat hier so viel Geld, um so teure Zahnpasta zu kaufen?? Wie können so viele Apotheken überleben??
Auf dem Heimweg noch ein Törtchen zum Mittagessen und zwei Cafés - kostet zusammen 2.60 Euro - für dieses Geld sagt mir in der Schweiz in einem Café die Bedienung nicht einmal "Grüezi"... Wie kann der Betreiber der kleinen Cafébar hier mit solchen Preisen überleben, die Kaffeemaschine finanzieren, den Strom bezahlen und sein Lokal in Schuss halten?? Einmal mehr frage ich mich, wie sich das Leben hier für die Menschen rechnet...
Nach dem Café lege ich mich wieder hin - döse - esse Früchte, welche ich vom Frühstücksbuffet mitgenommen habe (...) - Vitamine können kaum schaden - höre Musik, schaue TV und bastle an der Route der nächsten Tage. Ein fauler Tag. Ein sehr fauler Tag...! Aber es tat verdammt gut!
Nun geht es schon bald wieder zum Nachtessen ins Lokal gegenüber - auch wenn ich kaum aktiv bin - mein Körper hat Hunger oder glaubt wenigstens Hunger zu haben - das muss ich dann daheim in den Griff bekommen, wenn ich nicht mehr so viele Velokilometer mache - oder ich muss auch daheim viele Velokilometer machen...
Morgen will ich wieder auf's Velo. Ich hoffe, das Wetter bleibe stabil - heute hat es nicht geregnet und es war "warm"...
Tja, so gesehen ist der Auftakt zur Heimreise irgendwie (miss)glückt - aber das ist ganz gut so. Ich will ja langsam heimreisen - darum habe ich ja auch Anlauf in Lissabon geholt...
Herzlich in die Welt hinaus
Patrik Kirtap
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