Do
16
Apr
2015
Liebe Alle!
Heute vor zwei Wochen bin ich in Bern gestartet. Das kommt mir nach wie vor sehr unwirklich vor - und vor allem auch viel laenger. Was habe ich doch schon alles erlebt. Wenn das so weiter geht, werde ich ein heiteres und sehr interessantes Reisejahr verbringen. Und es wird so weitergehen - alles andere ist keine Option!
Heute Abend gibts dann mal wieder ein Apero. >:-))!!
Die Fahrt nach Zagreb fuehrte mich weiter dem Fluss Sava entlang nach Dobova. In Dobova will ich mir eine kuehle Cola goennen in der Gartenwirtschaft einer Pizzeria, und mein Euro Muenz so loswerden. Sehe, dass das Mittagsmenu nur 4 Euro kostet. Ist ja guenstiger als selber kochen. Da ziehe ich mir doch glatt einen Teller Spaghetti Bolo inkl. Salat fuer 4 Euro rein - das tut gut - mir und dem Reisebudget!!
Habe Muehe den Grenzuebergang zu finden, was mir dann aber doch gelingt, nach einem kurzen Verfahrer...
Der slowenische Zoellner will meine Papiere sehen, muss aber zuerst seine Zigarette fertig drehen. Dabei habe ich ihn naemlich grad gestoert, als ich beim Zollhaeuschen vorgefahren bin. Er prueft meine ID gewissenhaft und fragt dann, wie lange ich von der Schweiz gebraucht haette und wohin ich noch wolle. Dann folgt sein "have a nice trip" so unvermittelt und ultimativ, dass klar ist: Plauderei ist vorbei!! Der will jetzt seine Zigarette rauchen, also in die Pedalen treten und nicht laenger Zoellner versaeumen...
Auch der kroatische Zoellner ein paar Meter weiter will Papiere sehen. Ich zuecke auch fuer ihn meine ID, die er prueft, nachdem er ein Telefonat beantwortet hat. So rolle ich also in mein 5tes Land auf meiner Velotour ein: Kroatien.
Das zweite Land, dessen Sprache ich nicht spreche und auch nicht verstehen kann, wenn etwas geschrieben steht - das erste Land, mit "eigener Waehrung". Also weder Franken noch Euro. Kuna heisst hier das Zauberwort. Ein Getraenk kostet nicht mehr wie bisher 2 Einheiten - nein, es kostet ploetzlich 7.95 Einheiten - nicht erschrecken, umrechnen... 100 Kuna sind ca. 15 Franken.
Ich rolle auf der Hauptstrasse weiter in Richtung Zagreb. Das geht alles gut bis - mir faellt der Begriff holy shit von gestern Morgen wieder ein - ich in die Vorstadt von Zagreb komme. Da wird die Strasse ploetzlich zweispurig und der Verkehr nimmt massiv zu. Ich frage mich durch, ob ich auf dieser Strasse fahren duerfe. Ein Herr deutet mir, dass ich besser auf dem Gehsteig fahre. Ich glaube ihn so zu verstehen, dass der Gehsteig bis nach Zagreb rein fuehrt, welchs 20 Km vor mir liegt. OK - ich rolle auf dem Gehweg, das geht gut, bis dieser aufhoert. Dann auf der Strasse, was auch recht gut geht. Ich werde auf meiner Reise noch Staedte besuchen/ durchqueren, wo ein ganz anderes Verkehrsaufkommen herrscht...
Schlussenldich lande ich beim Hauptbahnhof, in dessen Naehe die Jugi liegt und siehe da, die zweite Strasse links und ich bin da. Beziehe ein Bett im 6er-Schlag, was anderes ist nicht frei. Duschen, Kleider waschen - Haushaltung eben.
Nun flipflope ich mal in die Stadt - es ist schoen warm in Zagreb und ich bin gespannt, was die Stadt zu bieten hat! Vielleicht bleibe ich eine, vielleicht zwei Naechte...
Seid herzlich gegruesst, da draussen in der Welt!
Patrik Kirtap
Fr
17
Apr
2015
So, da bin ich schon wieder mit WiFi und kann Euch wieder beblogen...
Gestern bin ich ja in Zagreb eingerollt - die Stadt konnte mich so gar nicht für sich gewinnen. Da habe ich mir überlegt, weiterzureisen und beim Bahnhof gefragt, ob es eine Möglichkeit gibt, mit Velo und Zug. Hm - die gäbe es nur, wenn ich ein Singleschlafwagenabteil mieten würde, dann könnte ich das Velo mit in das Abteil nehmen, erklärte die Dame am Infoschalter in gutem Englisch. Auf meine Frage, was das denn koste erklärte sie, das werde gar nicht mehr angeboten. Mit anderen Worten: Mit der Bahn keine Möglichkeit!
OK, dann fahre ich halt mit dem Velo nach Belgrad - vier Tage und ich bin dort.
Auf meinem Rundgang durch die Stadt komme ich an einem Reisebüro vorbei, das Werbung für Busreisen macht. Ja warum denn nicht mit dem Bus nach Belgrad? Ich frage nach, ob das möglich sei. Die Dame meint ja, aber da müsse ich zum Busbahnhof. Zwei Tramstationen weiter. OK!
Am Busbahnhof werde ich mal von einem Schalter zum nächsten verwiesen. Der Bus nach Belgrad ist überhaupt kein Problem, da fahren ganz viele... Aber das Velo. Mir scheint, ich sei der erste Passagier, der ein Velo transportieren möchte.
Schlussendlich lande ich in einer abgelegenen Ecke des weitläufigen Parkplatzes des Busbahnhofs im Containerbüro von Csaznatrans oder wie die sich schreiben. Der nette Herr im Büro erklärt in einem Gemisch aus Englisch und Deutsch, es sei eigentlich kein Problem, ein Velo im Bus zu transportieren. Der Chauffeur entscheide aber, ob er es mitnehme oder nicht. Ich solle am Samstag fahren (hatte ich so vorgesehen), da hätte es weniger Leute und ich somit die grössere Chance, dass mein Velo transportiert würde...
Es kommen weitere Personen ins Büro - einer davon offenbar ein Chauffeur, der Zagreb-Belgrad fährt. Der erklärt, ich soll unbedingt heute Freitag fahren, da habe es weniger Leute als am Wochenende. Hm - was nun? Der Bürolist erklärt dann ganz logisch:
Versuche es am Freitag - wenn es nicht klappt, hast am Samstag die zweite Möglichkeit. So pragmatische Bürolisten gefallen mir doch...
Wir vereinbaren, dass ich heute Morgen um 07.30 Uhr auf Perron 405 des Busbahnhofes warte und schaue, ob man mich und mein Velo mitnehmen will...
Zurück in die Stadt - beim 2-Wochen-Jubiläumsapero in einer hippen Bar - studiere ich für alle Fälle die Route auf der Karte, die ich später dann noch mit der Route anderer Radreisender und einem Internetplanungstool in der Lobby der Jugi abgleiche und definitiv in meine Karten übertrage. So bin ich perfekt gerüstet!
Ich entscheide mich, heute Morgen in Velomontur zum Busbahnhof zu fahren. Wenn der Bus mich mitnimmt OK - sonst radle ich gleich von dort aus los. So packe ich und gehe am Abend auch zeitig schlafen. Den engen 6er-Schlag in der sauberen Jugi in Zagreb habe ich für mich alleine >:-))
Da stehe ich heute Morgen also bereits nach 07.00 Uhr auf Perron 405 des Busbahnhofs in Zagreb und warte, bis der Bus kommt, der um 08.10 Uhr nach Belgrad abfahren soll.
Es gesellen sich immer mehr Leute zu mir. Ein Ehepaar setzt sich zu mir auf's Bänkli und er fragt mich in breitem und dennoch gebrochenen Bündnerdeutsch, wohin ich den wolle - er hat mich an meinen Veloplustaschen als Schweizer erkannt... Ich erkläre ihm mein Projekt, für welches er nur bedingt Verständnis hat, seine Ehefrau grad gar keines... Erkläre ihm auch, ich sei nervös, weil ich nicht wüsste, ob mein Velo mitgenommen würde. Er stellt sich als George vor. Ursprünglich aus dem Kosovo, seit 30 Jahren in der Schweiz in verschiedenen Berufen unterwegs - ausschliesslich schwere körperliche Arbeit, sein Körper ist entsprechend gezeichnet. Nun auf dem Weg nach Belgrad, Verwandte seiner Frau besuchen. Sie sind letzte Nacht mit dem Bus von Luzern nach Zagreb gereist. George meint, er würde dann schon mit dem Chauffeur sprechen, das könne doch kein Problem sein mit dem Velo...
Der Bus kommt, der Chauffeur steigt aus und sagt etwas zu mir, was ich nicht verstehe. George übersetzt und meint, der Chauffeur sei schon informiert, dass ich mit Velo nach Belgrad wolle. Gut so, denke ich. Der Chauffeur findet das aber nicht wirklich gut. Er redet auf mich ein - ich zucke mit den Schultern. Er zeigt mir den Tarif, wonach das Velo 28 Euro koste nach Belgrad. Ich stimme zu - nicke und sage überzeugt OK!
Dann übersetzt und erklärt George:
Der Chauffeur hat Bedenken, dass mein Velo im Gepäckraum zu viel Platz einnimmt und er dann unterwegs keine weiteren Passagiere mehr aufnehmen kann, weil es für deren Gepäck keinen Platz mehr gibt. Dann gingen ihm Fahrpreise verloren. Ich erkläre George, dass der Chauffeur 28 Euro für den Transport des Velos wolle, das sei doch auch eine Einnahme...
George verhandelt mit dem Chauffeur. Ruhig aber doch bestimmt. Ich verstehe kein Wort. Schlussendlich wird Passpartu vom Chauffeur eigenhändig in den Gepäckraum des Buses gelegt und ich schliesse daraus, dass alles klappt. Die Packtaschen polstern Passpartu so, dass er sich während der Fahrt nicht verschieben kann. Geht doch.
Busfahrt inkl. Transport von Passpartu kosten schlussendlich 50 Euro, die ich nicht habe, da in Kroatien ja Kuna die offizielle Währung ist. George meint, er schiesse mir die vor - ich finde noch 40 Euro in meiner Geldbörse und lege einen 10 Frankenschein dazu. Der Chauffeur begutachtet den 10 Frankenschein skeptisch - George erklärt, das sei CH-Geld und schwups wird es vom Chauffeur akzeptiert.
Spannend am Tarif: Die Hinfahrt für mich alleine hätte gemäss Auskunft am Schalter gestern Abend umgerechnet 36 Franken gekostet. Für mein Velo habe ich also niemals die tariflichen 28 Euro bezahlt. George meinte: Nur nichts sagen und schlägt zu einem HighFive ein.
Ich "muss" mich zu George und seiner Frau setzen im Bus. Sie steckt mir sofort nach der Abfahrt Bananen zu und meint: "Aus der Schweiz!".
Auf der Fahrt nach Belgrad erzählt mir George noch aus seinem Leben, von seinen zwei erwachsenen Kindern und den beiden kleineren und wie schwer es sei, in der Schweiz einen Job zu finden. In seinem Alter mit seinen gesundheitlichen Problemen wolle ihn auf dem Bau niemand mehr... Ja, da haben wir schon auch ein spezielles System aufgebaut in der Vergangenheit in der Schweiz. Sozialhilfe will George nicht. Das sei für Männer ohne Arme und Beine. Er wolle arbeiten!! Das kaufe ich ihm sofort ab - da schwingt der Stolz eines Familienvaters mit!
Die Fahrt nach Belgrad dauert knappe sechs Stunden. Immer mal wieder verlässt der Bus die Autobahn, um zu einem lokalen Busbahnhof zu fahren. Ich hoffe jedes Mal, es wolle niemand mit viel Gepäck zusteigen. Es steigt bei all den angepeilten Busbahnhöfen genau eine Frau zu... Ich schlafe immer mal wieder ein. Habe aber genug Gelegenheit, die Landschaft anzuschauen: Mir scheint, zwischen Zagreb und Belgrad liege eine einzige grosse, weite Ebene in der Landwirtschaft betrieben wird. Hin und wieder etwas Industrie. Die Felder sehr gross. Manchmal sind auf einem Acker gleich mehrere Traktoren unterwegs.
Der Grenzübertritt erfolgt recht bürokratisch und autoritär. Der kroatische Zöllner prüft die Pässe im Bus, nimmt einige Pässe mit und kommt dann zurück. Der serbische Zöllner sammelt alle Pässe ein - es dauert (...) und dann verteilt der Chauffeur die Pässe wieder an die Passagiere. Während der beiden Passkontrollen wird es im Bus ganz ruhig.
Die Einfahrt nach Belgrad treibt mir die Schweissperlen auf die Stirn: Wie komme ich da jemals wieder raus?? Ich bleibe eh bis Sonntag. Ich gehe davon aus, dass am Sonntag weniger Verkehr ist und ich so den Weg aus Belgrad gut finde - immer in Richtung Sofia - Istanbul...
Seid herzlich gegrüsst - vom Vetoweltreisenden, der nebst Bahn nun auch Bus fährt. Aber ich bin innerhalb von sechs Stunden Busfahrt vier Tage näher an Istanbul gerückt. Und das ist gut so, beruhigt mich.
Übrigens 1: Belgrad ist nicht wirklich hübscher als Zagreb...
Übrigens 2: Ich wohne mal wieder in einem Hostel. Mit Couchsurfing und Warmshowers hatte ich noch keinen Erfolg...
Übrigens 3: In Serbien verstehe ich nicht nur das gesprochene Wort nicht - hier wird auch kyrillisch geschrieben, was die Sache nicht einfacher macht...
Patrik Kirtap